Düsseldorf Zur Trauung am liebsten im Maßanzug

Düsseldorf · Er ist die männlichste aller Uniformen und auch junge Männer gönnen sich einen, der nicht industriell, sondern für sie exakt zugeschnitten ist: der maßgeschneiderte Anzug. Ihn zuschneiden und nähen zu können, ist wieder gefragte Kunst.

 Benjamin Pfab (l.) nimmt an der Königsallee Maß an dem 25-jährigen Daniel Brown.

Benjamin Pfab (l.) nimmt an der Königsallee Maß an dem 25-jährigen Daniel Brown.

Foto: Paul Esser

Er ist 25 Jahre, studiert Kommunikationsdesign und jobbt nebenbei in der Oper am Rhein. Wenn er dort als Platzanweiser im Einsatz ist, bleiben Jeans und Sweatshirt im Schrank, dann gilt auch für Daniel Brown die Anzugspflicht. "Das ist aber kein Problem, ich trage sogar gerne Anzüge", sagt er. Schwierig ist es allerdings, überhaupt den richtigen Zweiteiler zu finden. Schmal und superschlank, wie er ist, passt dem jungen Mann keine Konfektion von der Stange.

"Meist sitzt das Sakko nicht perfekt, es wirft im Rücken Querfalten oder das Revers steht ab und ist irgendwie zu groß. Auch die Hose muss eigentlich immer geändert werden", sagt der junge Mann genervt. Nun steht er zum ersten Mal vor dem Spiegel eines Maßkonfektionärs. Zusammen mit Benjamin Pfab, der an der Königstraße seine Maßkonfektion "Xuits" eröffnet hat, sucht Daniel Brown erst einmal die Stoffe aus. Eher Brit Chic mit Harris Tweed oder doch lieber ein leichter Wollstoff, Streifen oder Uni? Macht Beige nicht blass und sind Grau oder Blau nicht besser. Lieber Einreiher oder doch ein Zweiteiler? Tailliert oder lässig? Breites oder schmales Revers? Soll das Innenfutter eher zurückhaltend im Ton sein oder darf es auch ein Pink oder Froschgrün sein?

Fragen über Fragen, denn Maßkonfektion bedeutet Auswahl. Das fängt beim Material an und hört bei den Knöpfen nicht auf. Bücher mit Stoffmustern in unzähligen Varianten liegen auf dem großen Tisch aus. Unter Hunderten von Innenfuttern in allen Farben des Regenbogens kann man sich entscheiden. Da ist die Beratung des Fachmanns gefragt – erst recht, wenn es um den individuellen Schnitt geht.

Benjamin Pfab, der 2007 sein Unternehmen gegründet und inzwischen gemeinsam mit Co-Geschäftsführer Peter Henssen bundesweit vier Filialen eröffnet hat, lässt Daniel Brown in eines der Muster-Modelle schlüpfen. Die Hose fällt schon sehr gut, aber bei der Jacke stimmen die Proportionen nicht. Da muss der Fachmann mit dem Maßband ran und Änderungen markieren. Mit seinem geübten Auge erkennt Pfab die Besonderheiten der Figur und nimmt Maß für die perfekte Form. Die Daten und die Wünsche des Kunden gehen in die Schneiderei nach Portugal, wo die Teile genäht werden. Nach rund vier Wochen und je nach Aufwand zu Preisen ab 700 Euro aufwärts sind sie in Düsseldorf nach den Anproben abholbereit.

Im Unterschied zu "Xuits" oder beispielsweise "Cove & Co" wird bei Düsseldorfs ältestem – und letzten seiner Zunft auf der Kö – bei Maßschneider Jürgen Ern seit mehr als fünf Jahrzehnten jedes Teil vor Ort gefertigt. Der 75-jährige Meister seines Fachs nimmt insbesondere den Bossen aus der wirtschaftsstarken Region die Maße und lässt sie gut aussehen. Zu ihm kommen Männer, die viel arbeiten und wenig Zeit haben. Solvente Herren, die Wert auf eine gute Beratung und gut sitzende Kleidung legen. Sind die Werte, die Formwünsche und der ausgesuchte Oberstoff im Haus, werden die Schnittschablonen erstellt und das Tuch zugeschnitten. "Dann folgen die Anproben mit zunächst nur lose zusammenhefteten Schnittteilen, später zur Rumpfprobe ohne Ärmel und Kragen", erklärt Ern. Bis zum Feinschliff des Unikats sind 60 Stunden Handarbeit vonnöten. Und einem Manager wie Max Breuer ist das gute Wohlfühl-Stück dann auch den Preis von mindestens 4000 Euro wert. Der 54-Jährige ist davon überzeugt, dass "Maßgeschneidertes jeden Mann selbstbewusster wirken lässt." So ist seiner Meinung nach ein Maßanzug an den Schultern passgenauer. Auch die Taillenhöhe oder die Ärmellänge kann bis auf den Millimeter genau (schließlich hat kaum keiner zwei gleiche lange Arme) angepasst werden. Es wird, je nach Figur, kaschiert oder betont.

Den Trend vor allem bei jüngeren Männern zu handwerklich gefertigten Kleidungsstücken kann auch Oliver Rauschmeyer bestätigen. Er ist bei Breuninger der Chef des Maßateliers (kein Kaufhaus in Europa leistet sich einen derartigen Service). Nicht selten lassen sich zum ersten Mal in ihrem Leben heiratswillige Männer von ihm vermessen: Sie wollen sich beim Ja-Wort und an einem so entscheidenden Tag erst recht in ihrer zweiten Haut wohl fühlen.

Der 37-jährige Marc Möller, der sich normalerweise gern sportlich-lässig kleidet, ist so ein Einsteiger. "Der Tag soll perfekt werden und ich will neben meiner Braut top aussehen."

(RP)
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