Duisburg Abriss als Wendepunkt für Hochheide

Duisburg · Die zwei leerstehenden Hochhäuser in Hochheide werden von Anwohnern als Schandfleck der Stadt empfunden. Als die sogenannten Weißen Riesen in den 1970er-Jahren gebaut wurden, galten sie hingegen als modern und innovativ.

 Die höchsten Wohnhäuser Duisburgs stehen in Hochheide. Im nächsten Jahr soll dieser Teil Hochheides ein anderes Gesicht bekommen, wenn die ersten Hochhäuser verschwinden. Doch zunächst stehen umfangreiche Vorarbeiten an.

Die höchsten Wohnhäuser Duisburgs stehen in Hochheide. Im nächsten Jahr soll dieser Teil Hochheides ein anderes Gesicht bekommen, wenn die ersten Hochhäuser verschwinden. Doch zunächst stehen umfangreiche Vorarbeiten an.

Foto: Christoph Reichwein

Wenn Reinhard Stratenwerth von der Wohnsituation vor 40 Jahren in Hochheide berichtet, beschreibt der 78-Jährige ein wahres Idyll. "Im Hochhaus-Quartier haben Menschen aus verschiedenen Schichten gelebt. Egal ob Arbeiter, Installateur, Anwalt oder Arzt - alle haben sich dort wohl gefühlt. Und die Mischung sorgte für ein gutes Miteinander", sagt der 78-jährige Archivar des Freundeskreises Historisches Homberg. Wer sich heute das Hochhausquartier Hochheide im Duisburger Stadtbezirk Homberg/Ruhrort/Baerl anschaut, mag kaum glauben, dass sich dort die Menschen einmal um die Wohnungen gerissen haben sollen. Heute gelten die sogenannten Weißen Riesen als Relikt vergangener Tage. Vor allem zwei verwahrloste, leerstehende Hochhäuser mit jeweils 320 Wohnungen sind seit vielen Jahren ein Ärgernis für die Anwohner. Sie können es kaum erwarten, bis die von ihnen als Schandfleck empfundenen Gebäude endlich von der Bildfläche verschwunden sind. Beide Hochhäuser sind mittlerweile im Besitz der Stadt Duisburg. Im kommenden Spätsommer will die Stadt das Gebäude an der Friedrich-Ebert-Straße 10/16 sprengen lassen. Danach soll das Hochhaus an der Ottostraße 24/30 angegangen werden.

Der Bau des Hochhausquartiers war das Ergebnis einer Umbruchphase. Die Region hatte sich mit der Zeche Rheinpreußen über viele Jahre einen Namen im Bergbau gemacht. Mit dem Abteufen des ersten Bergbauschachts im Jahre 1879 entstanden zu Beginn des 20. Jahrhunderts in ursprünglich ländlichen Strukturen von Hochheide Werkssiedlungen des Unternehmens Rheinpreußen. Nach Angaben der Stadt Duisburg stieg die Bevölkerung zu dieser Zeit von 500 auf etwa 14.000 Einwohner. In den 1930er-Jahren ging aus den Zechensiedlungen und Alt-Homberg die neu zusammengefasste Stadt Homberg hervor. Im Zuge der Gebietsreform von 1975 wurde Homberg in Duisburg eingemeindet.

 Riesige Baukräne für die "Weißen Riesen" bestimmten das Bild, als Hochheide noch als boomender Stadtteil galt.

Riesige Baukräne für die "Weißen Riesen" bestimmten das Bild, als Hochheide noch als boomender Stadtteil galt.

Foto: Freundeskreis Historisches HomberG

Mit dem Niedergang des Bergbaus in Homberg in den 1960er-Jahren war nach Ansicht der Stadt Homberg auch das Konstrukt Zechensiedlung überholt. Und so gestaltete die Bau- und Grundstücksgesellschaft Höltgen, die die Rheinpreußensiedlung erworben hatte, die Gegend im Sinne von Stadtverwaltung und Kommunalpolitik um. Ziel der Verantwortlichen war es, die alte Zechensiedlung in einen modernen Wohnpark umzuwandeln. Und dabei wollte man durchaus innovativ sein. Das Projekt war nämlich mit dem Arbeitstitel "Homberg gibt ein Beispiel" versehen.

Zum Projekt gehörte der Bau der sechs 20-stöckigen Hochhäuser in Hochheide. Dabei wurde das damals gängige städtebauliche Leitbild "Urbanität durch Dichte" befolgt. "Diese kompakten Wohnklötze waren damals einfach modern. Das wurde in anderen Ruhrgebietsstädten genauso gemacht", erinnert sich Udo Vohl, Vorsitzender des Freundeskreises Historisches Homberg. Mit jeweils 60 Meter Höhe sind die "Weißen Riesen" bis heute die höchsten Wohnhäuser in Duisburg.

 Alte Zechenhäuser vor den einst modernen Hochhäusern: Lange Zeit bestimmte dieses Miteinander das Gesicht Hochheides.

Alte Zechenhäuser vor den einst modernen Hochhäusern: Lange Zeit bestimmte dieses Miteinander das Gesicht Hochheides.

Foto: Freundeskreis Historisches Homberg

Nicht alle Bewohner der Zechensiedlung waren anfangs begeistert, dass sie ihre kleinen Häuschen aufgeben mussten. "Viele Arbeiter haben sich dann aber mit der Situation gut arrangiert. Das hat auch daran gelegen, dass die Wohnungen im Vergleich zu den kleinen Zechenhäuschen viel moderner eingerichtet waren. Im Winter hatte man nun eine Heizung anstatt eines alten Kohleofens. Und die Bäder waren mit Dusche oder Badewanne natürlich auch viel besser ausgestattet", sagt Vohl. In der Hochhaussiedlung wohnten aber nicht nur Arbeiter. Auch Beamte und bürgerliches Klientel zogen in die "Weißen Riesen". "Die Wohnungen waren schön geschnitten. Außerdem hat vielen Leuten der tolle Blick auf Homberg gefallen", sagt Vohl.

Der Imageverlust des Wohngebiets begann schleichend in den 1980er-Jahren und wurde spätestens in den 1990er-Jahren deutlich sichtbar. Wohnklötze anno 1970 waren bei Mietern nicht mehr so gefragt. Aber noch viel größere Auswirkungen hatte die problematische Eigentümerstruktur in manchen Hochhäusern "Es gab Gebäude mit etwa 300 Eigentümern. Da ließen sich Sanierungsarbeiten kaum abstimmen", sagt Vohl. Und so sei es schließlich in einem Hochhaus dazu gekommen, dass der Aufzug wegen fehlender Wartung vom TÜV abgestellt wurde. "Für ältere Bewohner war das damals eine Katastrophe", sagt Vohl. Die Hochhäuser wurden auf diese Weise immer unattraktiver für neue Mieter. Stattdessen wurden sie Auffangbecken für Arbeitslose sowie Flüchtlingen aus Kriegsgebieten. Die Folgen dieser Entwicklung lassen sich an den sinkenden Einwohnerzahlen ablesen. Zum Vergleich: Lebten 1975 noch 19.756 Menschen in Hochheide, waren es Ende 2015 nur noch 14.880. Zwei Hochhäuser sind verwahrlost und stehen seit vielen Jahren leer.

Vohl hofft, dass nach dem Abriss der beiden Problem-Hochhäuser die geplanten Grünflächen umgesetzt werden. "Das wäre eine gute Lösung. In Kombination mit den Hochhäusern, die heute noch in einer guten Verfassung sind, könnte dann eine neue Siedlung mit Stil entstehen."

(RP)
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