Duisburg Abriss soll nur das allerletzte Wort sein

Duisburg · Bei einem Info-Abend standen Beispiele für die Weiternutzung ehemaliger Gotteshäuser im Fokus. Das Bistum Essen richtet eine Arbeitsstelle für Immobilien-Entwicklung ein. In den kommenden Wochen fallen viele Entscheidungen.

 Die Einweihung und Segnung des Caritaszentrums St. Nikolaus in Buchholz im Jahr 2009.

Die Einweihung und Segnung des Caritaszentrums St. Nikolaus in Buchholz im Jahr 2009.

Foto: Probst

Weil die Katholischen Pfarreien in den kommenden Jahren weitere Kirchen und andere Gebäude aufgeben werden, baut das Bistum Essen ein neues Beratungsangebot auf, um Haupt- und Ehrenamtliche in den Gemeinden bei der Umnutzung oder dem Verkauf dieser Immobilien zu unterstützen. Bei einer Veranstaltung mit Gemeindevertretern in Bochum hat das Bistum jetzt die ersten Ideen zu dieser neuen "Arbeitsstelle für Immobilien-Entwicklung" vorgestellt. In Kürze stehen im Essener Generalvikariat Immobilien-Fachleute mit einem differenzierten Angebot für Kirchengemeinden bereit - von reiner Information bis hin zu einem umfangreichen Unterstützungs-Paket bei der Weiterentwicklung von Standorten.

Der Bedarf nach einer solchen Unterstützung dürfte künftig größer werden. Wenn in diesen Tagen die Pfarreien Bischof Franz-Josef Overbeck die Ergebnisse ihrer zweijährigen Beratungen in den Pfarreientwicklungsprozessen vorlegen, werden vielerorts neben manch anderen Immobilien auch Kirchen auf den Prüfstand kommen: Angesichts des Ziels, überall im Ruhrbistum auch in Zukunft lebendig Kirche sein zu wollen und zugleich die Pfarrei-Haushalte nicht zu überziehen, dürften aus Sicht der Pfarreien manche der derzeit noch gut 300 katholischen Kirchen zwischen Duisburg, Bochum und dem märkischen Sauerland zu groß, zu alt, zu teuer oder am falschen Platz gebaut sein. Dass ein Abriss jedoch nur das allerletzte Wort sein kann, wurde bei der Tagung mehr als deutlich. Nicht nur angesichts der religiösen, sondern auch der historischen, kulturellen, stadtbildprägenden und für viele Menschen auch persönlichen Bedeutung einer Kirche lohnt die intensive Prüfung alternativer Nutzungsmöglichkeiten, so der Tenor des Abends.

Schon die Räumlichkeiten in der ehemaligen evangelischen Friedenskirche im Bochumer-Westend waren dabei ein Teil des Programms. Pfarrer Holger Nollmann berichtete, wie seine Gemeinde die Kirche vor rund vier Jahren gemeinsam mit einem Verein und umfangreicher finanzieller Unterstützung der öffentlichen Hand zu einem interkulturellen Stadtteilzentrum umgebaut hat. Heute ist das "Q1" Treffpunkt für verschiedenste Gruppen in dem von vielen sozialen Problemen geprägten Quartier. Auch die Regeln zu Fluchtwegen, Parkplätzen und WC-Anlagen ändern sich, wenn aus einer geweihten Kirche ein Restaurant, ein Wohngebäude oder ein Konzerthaus wird. Damit hat das Bistum Essen schon Erfahrung: Von den rund 100 Kirchen, die in den vergangenen Jahren als Gottesdienst-Standorte aufgegeben wurden, gibt es für 56 eine vollständig neue Lösung, berichtete Magdalena Twarowska - Mitglied der neuen Arbeitsstelle und Teil der Zukunftsbild-Projektgruppe "Neue Nutzungsmöglichkeiten für Kirchen", die einen übersichtlichen Leitfaden für Kirchengemeinden erstellt hat, die eine Kirche nicht mehr als Gebetsraum nutzen möchten. Twarowska wirbt für Geduld: "Selbst wenn alle Beteiligten einem Projekt gegenüber positiv gestimmt sind, dauert die Umsetzung zwei bis drei Jahre", weiß sie aus der Erfahrung. Als gelungenes Beispiel präsentierte sie u.a. die Kirche St. Nikolaus in Duisburg-Buchholz, jetzt ein Caritas Begegnungszentrum, in dem es weiterhin eine Kapelle gibt. Als gutes Beispiel für eine gelungene Kirchenumnutzung gilt zudem St. Bernardus in Oberhausen-Sterkrade: Eine Glaswand im Kirchenschiff trennt dort den sakralen von dem an einen Gastronom verpachteten profanen Bereich.

So gibt es vorn stimmungsvolle Gottesdienste zu Taufen, Hochzeiten oder Beerdigungen - und im Anschluss hinter der Glaswand Kaffee und Kuchen oder Abendbuffet und Party.

Gut jede dritte Kirche im Ruhrbistum steht unter Denkmalschutz. Auf die Regeln in diesen Fällen ging Diözesanbaumeister Thomas Tebruck ein. Während für Christen vor allem die inhaltliche Bedeutung und die künftige Nutzung von Kirchen im Fokus stehe, gehe es dem Staat um einen "materiellen Denkmalschutz", so Tebruck. "Der staatliche Denkmalschutz hat kein Problem damit, wenn da ein Supermarkt einzieht."

(RP)
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