Rp-Serie Duisburger Geschichte Und Geschichten Als die Cholera in Duisburg wütete

Duisburg · Bevölkerungszuwachs, eine unzureichende Infrastruktur und katastrophale hygienische Verhältnisse beschleunigten den Ausbruch der Krankheit. Dies war vor 150 Jahren der Anlass, eine zentrale Wasserversorgung aufzubauen.

 Der Wasserturm-Stumpf auf dem Kaiserberg. In der Nähe befindet sich ein früheres Pumpenhaus. Heute ist der Turm ein Treffpunkt des Bürgervereins Duissern.

Der Wasserturm-Stumpf auf dem Kaiserberg. In der Nähe befindet sich ein früheres Pumpenhaus. Heute ist der Turm ein Treffpunkt des Bürgervereins Duissern.

Foto: harald küst

Seit Jahrhunderten hatten die Bürger Duisburgs Brunnengemeinschaften gebildet und ihr Trinkwasser aus Haus- oder Straßenbrunnen geholt. Mit steigenden Einwohnerzahlen im Zuge der Industrialisierung reichte die Wasserversorgung durch Brunnen nicht mehr aus. Das offen, oberirdisch abgeleitete Abwasser verunreinigte den Boden und damit das Wasser mit Krankheitserregern. Über Trinkwasser, das durch Fäkalien verschmutzt war, verbreitete sich der ursprünglich aus Indien stammende Choleraerreger in ganz Europa. Im 19. Jahrhundert starben allein in Preußen Hunderttausende einen würdelosen Tod inmitten der eigenen Exkremente.

Dass jeder Schluck Wasser ein Spiel mit dem Tod war, ahnten die Menschen nicht. Wie aus dem Nichts schlug 1866 die Cholera in Duisburg zu. Die Menschen erbrachen sich heftig, litten an Durchfall, ihre Haut wurde blau und faltig - dann starben sie. Duisburg wurde Schauplatz einer tödlichen Epidemie.

Die medizinische Forschung suchte nach Erklärungen. Wie schon andere Forscher vor ihm erkannte der Mediziner Koch den Zusammenhang zwischen bakterienverseuchten Fäkalien und der Trinkwasserversorgung. Längst nicht jeder Infizierte erkrankte, aber nahezu jeder wurde zum potenziellen Bakterienüberträger. Vibrio cholerae setzte sich im Dünndarm fest und sonderte ein Gift ab. Die Patienten konnten mehr als 20 Liter Flüssigkeit am Tag verlieren, lebenswichtige Mineralien wurden ausgeschwemmt. Der Mensch trocknete im Grunde genommen in kürzester Zeit aus. Nierenversagen und Kreislaufkollaps waren die Folge. Auffällig viele Todesopfer kamen aus der unteren Altstadt und vom Kaßlerfeld, wo besonders viele Menschen auf engstem Raum hausten und unter schlechten hygienischen Verhältnissen lebten. Ideale Brutstätten für jeden Ansteckungskeim. Fünf Jahre später folgte die nächste Seuche: 1871 erkankten zehn Prozent der Einwohner an den Pocken, es gab 542 Tote.

Für die Verwaltung der Stadt Duisburg waren die beiden Seuchen eine schlimme Lehre und ein dramatisches Alarmsignal zugleich. Die Hygienerisiken wurden endlich erkannt. So reifte 1873 der Entschluss, eine zentrale Wasserversorgung in städtischer Regie aufzubauen.

In den Ruhrauen nahe der Aakerfähre wurde 1875 ein Wasserwerk errichtet. Eine Pumpstation mit Dampfantrieb beförderte das Wasser durch einen Druckrohrstrang in ein unterirdisches Wasserreservoir auf dem Duissernberg, der 1881 in Kaiserberg umbenannt wurde. Das Wasserreservoir war mit dem achteckigen Wasserturm verbunden. Bei Bränden sollte mit Hilfe des Turms das Wasser mit höherem Druck in die Stadt geleitet werden. Tatsächlich hatte der Turm für die Wasserversorgung später kaum eine Bedeutung.

Vom Kaiserberg führte ein Hauptrohrstrang durch die Mülheimer Chaussee in die Stadtmitte und von dort über mehrere Verteilungsstränge ins Dell- und Stapelviertel, nach Neudorf und Hochfeld. Im Jahr 1876 begann die Wasserlieferung in die Stadt, so die Jubiläumsbroschüre der Stadtwerke Duisburg. Damals floss das Wasser durch ein Rohrleitungssystem von gut 28 Kilometern. Zum Vergleich: Heute sind es mehr als 2000 Kilometer. Anfänglich konnte nur ein kleiner Teil des Stadtgebiets zentral versorgt werden. Daher gab es zunächst noch eine Reihe öffentlicher Entnahmestellen, aus denen sauberes Wasser unentgeltlich entnommen werden konnte. Doch schon nach wenigen Jahren konnten diese alten Pumpbrunnen stillgelegt werden, weil das städtische Versorgungsnetz nach und nach viele Bezirke erschlossen hatte.

Zurück zum Wasserturm. Noch heute kann der aufmerksame Spaziergänger die Überreste des Wasserturms auf dem Kaiserberg erkennen. Kurz vor Kriegsende wurde das ehemals 28,5 Meter hohe Gebäude im März 1945 durch Granatenbeschuss zerstört. Da der Turm für die Wasserversorgung kaum eine Bedeutung hatte, wurde er als Aussichtsturm eine touristische Attraktion. Der Turm speiste eine 1898 am Fuße des Kaiser-Wilhelm-Denkmals erbaute Kaskadenanlage.

Quelle: Jubiläumsschrift der Stadtwerke Duisburg aus dem Jahr 2004 von Dr. Vera Schmidt.

(RP)
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