Duisburg Avi Primor kann "nur" schreiben

Duisburg · Der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland stellte im Kleinkunsttheater "Die Säule" seinen ersten Roman vor. Vorlesen daraus wollte er allerdings nicht, das habe er nicht gelernt. Interessant war es trotzdem.

 Israels Ex-Botschafter Avi Primor

Israels Ex-Botschafter Avi Primor

Foto: dapd, Katja Lenz

Als Avi Primor vor 17 Jahren das letzte Mal in der "Säule" war, glich das Haus einer Festung: "Damals war Primor noch israelischer Botschafter in Deutschland und die Sicherheitsauflagen waren derart streng, dass die 'Säule' wohl der sicherste Ort in ganz Duisburg war", wusste Hausherrin Martina Linn-Naumann in ihrer Begrüßung zu berichten. Die Buchvorstellung von Primors erstem Roman "Süß und ehrenvoll" war auch keine Lesung, sondern ein Gespräch über das literarische Werk, die Beweggründe und das Zustandekommen des Romans und nicht zuletzt über das bewegte Leben und die vielfältigen Begegnungen des früheren Diplomaten, wo auch immer auf der Welt.

Die Moderation des Abends hatte Michael Steindl, Schauspielleiter des Duisburger Theaters, der Primor gleich zu Beginn danach fragte, warum er denn nicht aus seinem Buch lesen würde, ob er denn kein guter Vorleser sei? Primor: "Ich habe nicht vorlesen gelernt, sondern 'nur' schreiben." Doch schnell wurde allen im ausverkauften Kleinkunsttheater klar, dass er mindestens ebenso gut reden, erzählen und erklären kann und dazu noch eine gehörige Portion Humor besitzt, obwohl sein Roman einen ernsten bis tragischen Hintergrund hat.

"Süß und ehrenvoll" ist im September vergangenen Jahres im Kölner Quadriga Verlag erschienen und erzählt von Juden, die im Ersten Weltkrieg gegeneinander kämpften. Zwei Handlungsstränge habe das Buch, erklärte Primor: Ludwig Kronheim ist der Sohn einer großbürgerlichen jüdischen Familie aus Frankfurt am Main, Louis Naquet der einer jüdischen Bäckerfamilie aus Bordeaux. Beide schreiben aus den Schützengräben Briefe an ihre Lieben in der Heimat und früh ahnt man, dass die beiden das Aufeinandertreffen nicht überleben werden, verriet Steindl. Dass beide jüdischen Protagonisten einander zum Schicksal werden und sich gegenseitig töten, hatte Primor seit langem im Kopf, als er eine vergleichbare Szene als Jugendlicher im Tel Aviver Theater gesehen hatte. Vor vier Jahren kam die Idee zum Buch, erzählte Primor, und eigentlich sollte es wieder ein Sachbuch werden, wie das knapp halbe Dutzend seiner Veröffentlichungen vorher. So machte er seinem damaligen Verleger vom Piper-Verlag, in dem sein Bestseller "An allem sind die Juden und Radfahrer schuld" 2010 erschien, den Vorschlag, etwas "über die Bedeutung des Ersten Weltkriegs für die Juden" zu schreiben. Doch dieser lehnte dankend ab: "Es interessiert sich doch kein Mensch für den Ersten Weltkrieg."

2014 ist nun das Gedenkjahr für den Ausbruch des Ersten Weltkriegs und das gäbe ihm Recht, ein solches Thema zur Diskussion zu stellen, zumal Juden bei diesem Krieg auf allen Seiten für ihr jeweiliges Vaterland gekämpft hätten. Es habe schon ein "verrückter Patriotismus" auf Seiten der Juden geherrscht, meinte Primor, die glaubten, durch Assimilation und Heldentum zu rundum gleichberechtigten Bürgern ihrer jeweiligen Gesellschaft zu werden.

Recherchiert hat Primor vor allem im Leo Baeck Institut in Jerusalem. Dort sei er auf Berge unangetasteter deutscher Feldpost aus jener Zeit gestoßen. Er sei der Erste gewesen, der sich für diese verstaubte "Rohstoffsammlung" interessierte und "unglaubliche Schätze" entdeckte. "In den Schützengräben", so Primor, "passierte mitunter wochenlang nichts. Die Briefe waren wichtig, um die Moral der Truppe aufrecht zu erhalten." Aber auch in Archiven in Bordeaux fand Primor jahrzehntelang unberührte Dokumente. Denn Bordeaux wie auch Frankfurt am Main hätten nicht nur die ältesten jüdischen Gemeinden in ihren jeweiligen Ländern, sondern die Juden galten damals hüben wie drüben als besonders integriert — ein Grund, warum Primor die beiden Protagonisten seines Buches dort ansiedelte.

Nach Primors Willen sollte das Buch "Eine unverhoffte Chance" als Titel tragen. Denn er sehe das Ende des Romans wie ein Happy End, "auch wenn es nur ein falsches Happy End ist". Primor: "Beide Protagonisten hegen eine Hoffnung. Und das Ende des Buches ist zugleich das Ende des Krieges."

(RP)
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