Rp-Serie Duisburger Geschichte Und Geschichten Bella Italia in Duisburg

Duisburg · Hochsaison für Eisdielen. Klangvolle Namen wie Bella Italia, Romeo, de Luca, Venezia, und Rialto verweisen auf die Herkunft des Eises - und das nicht erst seit Ankunft der italienischen Gastarbeiter in den fünfziger Jahren.

 Das älteste Fotodokument zum italienischen Eis in Duisburg: Familie de Nadal beim Straßenverkauf von Eis, aufgenommen im Jahr 1895.

Das älteste Fotodokument zum italienischen Eis in Duisburg: Familie de Nadal beim Straßenverkauf von Eis, aufgenommen im Jahr 1895.

Foto: kultur-und stadthistorisches Museum duisburg

Schauen wir uns die Familie de Nadal an. Ihre Spur führt in ein schmales Bergtal in Norditalien. Wie fast alle "Gelatiere" stammt die Familie aus den Dolomiten. Schon der Großvater von Anna Nadall verkaufte vor 1900 "Gefrorenes" in Duisburg. Das belegt ein Foto aus dem Jahr 1895. Im Zuge der Industrialisierung strömten um die Jahrhundertwende Arbeitsmigranten nach Duisburg. Mit den italienischen Arbeitskräften kamen auch die Speiseeishersteller. Ihre Familien blieben in der Regel in Italien zurück, während die Männer von Juni bis September in den Norden zogen. Pendelmigranten nennen das die Experten. Den Rest des Jahres verbrachten die Männer wieder in ihrem Heimatdorf oder als Gelegenheitsarbeiter. Ihren ersten Höhepunkt erreichte das Geschäft der Gelatieri vor dem Ersten Weltkrieg. Das Reich erlebte einen wirtschaftlichen Aufschwung. Der belebte den Konsum. 1905/06 kamen die ersten elektrisch betriebenen Maschinen zur Speiseeis-Herstellung auf den Markt.

Anfangs zogen die Gelatieri meist noch per Caretto, dem rollenden Eiswagen, zum Kaiserberg oder an Orte, die eine entsprechende Nachfrage versprachen. Bereits 1914 gab es in Duisburg-Hochfeld, Heerstr. 113, ein "Café mit Eisdiele". Aber auch in allen anderen Stadtteilen entstanden neue Lokale. Angeblich verkauften die kreativen italienischen Geschäftsleute das Eis aus einem Fenster im Erdgeschoss und befestigten Holzdielen unterhalb des Fensters. So entstand der Name "Eisdiele". Der Erste Weltkrieg bereitete dem italienischen Eisverkauf in Duisburg ein vorläufiges Ende.

 Roberto P. mit seinem Eiskarren vor der Schwanentorbrücke Mitte der 60er Jahre.

Roberto P. mit seinem Eiskarren vor der Schwanentorbrücke Mitte der 60er Jahre.

Foto: Kultur- und Stadthistorisches Museum

Getrieben von der wirtschaftlichen Not in Italien setzte Ende der 1920er Jahre ein erneuter Eis-Boom ein und die italienischen Eismacher kehrten wieder nach Duisburg zurück. Die politische Nähe zwischen den Regimes in Italien und Deutschland begünstigte die Zuwanderung zusätzlich. Der frühere mobile Verkauf verlagerte sich in kleine Lokale mit so imposanten Namen wie "Eis-Palast Italia". Besitzer des Lokals auf der Kasinostraße 11 war zum Beispiel ein Antonio Panciera. Die Akten im Stadtarchiv weisen in allen Duisburger Stadtteilen das Eisdielen-Gewerbe aus. Nach dem Zusammenbruch der deutsch-italienischen Koalition war die Hochphase der Gelatieri in Deutschland 1943 beendet. Die Italiener verkauften ihre Eisdielen und zogen zurück nach Italien.

Mit der Anwerbung von italienischen Arbeitern durch die deutsche Regierung kamen ab 1955 italienische Arbeitsmigranten nach Duisburg. Viele von ihnen arbeiteten hier zunächst in den Zechen und Industriebetrieben. Einige von ihnen - wie Roberto P. - stiegen in das Saisongeschäft des Eismacherhandwerks ein. In den 60er Jahren suchte sich Roberto P. im Winter zeitlich befristete Anstellungen in Industriebetrieben oder arbeitete als Kraftfahrer in Duisburg. Eine extreme Doppelbelastung. Mit viel Einsatz gelang es, nach wenigen Jahren als Angestellter in Eiscafés ein eigenes Lokal auf der Münzstraße zu eröffnen. Meist stellte die Familie das Personal.

Die Eiscafés hatten bis 22 Uhr geöffnet. Ein Novum in der damaligen Zeit. Eisdielen eröffneten für viele junge Duisburger die Chance, sich unkontrolliert mit der Freundin zu treffen. Ein Hauch von "dolce vita" umwehte diesen Treffpunkt. Zudem kurbelte das Wirtschaftswunder die Nachfrage an. Die Sehnsucht der Deutschen nach Italien tat ein Übriges. In den 1950er Jahren fuhren Duisburger, die es sich leisten konnten, nach Italien. Kinofilme und Schlager vermittelten italienisches Lebensgefühl. Die Zahl der italienischen Eisdielen wuchs.

"Kult" war das Eiscafé in Neudorf auf der Oststraße oder Panciera auf der Königstraße. Mit der Verbindung von italienischem Flair und ungewöhnlichem Farbdesign waren die Eisdielen in allen Stadtteilen ein beliebter Treffpunkt. Das ist auch heute so - selbst wenn ein Viertel bis ein Drittel der Eisdielen sich nicht mehr in italienischer Hand befindet: Für viele Duisburger verkörpert das Eis nach wie vor die Lebenswelt von "Bella Italia".

(RP)
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