Abgeschobenes Mädchen aus Duisburg Bivsis Vater legte Behörde gefälschten Pass vor

Düsseldorf/Duisburg · Die 15-jährige Bivsi aus Duisburg war wohl kein Opfer der deutschen Ausländerbehörden. Es war ihr Vater, der jahrelang den Staat täuschte - das geht aus einem Gerichtsdokument hervor. Sein Handeln führte am Ende zur Abschiebung der Familie.

 Bivsi bei ihrer Rückkehr nach Deutschland (am 2. August). Im Hintergrund ist ihr Vater zu sehen.

Bivsi bei ihrer Rückkehr nach Deutschland (am 2. August). Im Hintergrund ist ihr Vater zu sehen.

Foto: dpa, mb jhe

Bivsi - der Name der 14-jährigen Schülerin wurde zum Synonym für staatliche Willkür. Das Mädchen war Ende Mai von Mitarbeitern der Duisburger Ausländerbehörde aus der Schule geholt und am selben Tag mit ihren Eltern nach Nepal abgeschoben worden. Mittlerweile ist sie mit ihrer Familie wieder in Deutschland.

Der Grund für die Abschiebung und endgültige Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis war in Medienberichten stets nur eine Randnotiz: Bivsis Vater hatte eine falsche Identität angegeben, als er einen Asylantrag stellte. Er habe sich später selbst angezeigt und sich entschuldigt, er hätte zu viel Angst vor einer Ausreise und Verfolgung in Nepal gehabt, hieß es.

Aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf aus dem März 2016 geht nun hervor, dass Bivsis Vater die Behörden 14 Jahre über seine Identität getäuscht hat - nachhaltig und beharrlich, heißt es im rechtskräftigen Urteil, das unserer Redaktion vorliegt. Zuerst hatte die "Welt" darüber berichtet.

Die Empörung war groß: In den Wochen nach der Abschiebung warben die Mitschüler von Bivsi und die Elternpflegschaft ihres Duisburger Gymnasiums mit großem Einsatz für ihre Rückkehr. Der Duisburger Oberbürgermeister Sören Link, der neue NRW-Integrationsminister Joachim Stamp und sogar das Auswärtige Amt in Berlin setzten die politischen Hebel für Bivsis Rückkehr in Bewegung — gleichwohl wurde immer betont, dass die Gerichtsentscheidung für die Abschiebung rechtmäßig gewesen sei. Begleitet wurde das alles von einem Reporter des WDR, der der Familie während dieser ganzen Zeit nicht von der Seite wich, sie sogar in Nepal besuchte.

Eine mediale Empörungswelle rollte durch Deutschland. Kritiker schrien: "Wir schieben die Falschen ab, wieso muss eine gut integrierte nepalesische Familie gehen, während so viele unrechtmäßige Asylbewerber bleiben müssen?" Bivsi hat Deutsch als Muttersprache gelernt, Nepalesisch kann sie im Vergleich dazu kaum, ihre Noten in der Schule - vorbildlich. Vieles am Fall Bivsi fühlte sich falsch an. Entsprechend groß war die Freude, als Bivsi Anfang August wieder am Flughafen Düsseldorf landete.

Beim Blick in das Urteil des Düsseldorfer Verwaltungsgericht vom 4. März 2016 wird nun deutlich: Bivsi war kein Opfer einer absurden Entscheidung einer überempfindlichen Verwaltung und eines bürokratischen Rechtsstaats. Bivsi musste in der Konsequenz abgeschoben werden, weil ihr Vater den Rechtsstaat getäuscht hatte.

Aus dem Urteil geht hervor, dass Bivsis Vater am 26. Oktober 1992 in Amberg (Bayern) unter seinem richtigen Namen einen Asylantrag stellte, der am 10. August 1994 abgelehnt wurde.

Am 17. Juni 1998 stellte er erneut einen Antrag, dieses Mal unter Angabe eines falschen Namens und eines falschen Geburtsdatums, auch dieser Antrag scheiterte. Weil er aber behauptete, keinen Pass zu besitzen, wurde er geduldet. Die Duldung ist ein minimaler Aufenthaltstitel, der rechtlich eigentlich nur bedeutet, dass man nicht abgeschoben werden kann. Mehrfach wurde er der nepalesischen Botschaft vorgeführt, um seine Identität zu überprüfen, das scheiterte jedes Mal.

2003 wurde bei einer Hausdurchsuchung der Pass von Bivsis Mutter gefunden, die ihren wahren Namen auch verborgen hatte. In ihren Visumsunterlagen tauchte auch der Name von Bivsis Vater auf. Er leugnete jedoch, den Namen zu kennen. Später legte er sogar einen nepalesischen Pass mit seiner Schein-Identität vor. Woher er den hatte, geht aus dem Urteil nicht hervor. "Er habe erst jetzt mit einer vertrauenswürdigen Person in Nepal in Verbindung treten können, die er mit der Erledigung seiner Passbeschaffungsbemühungen habe beauftragen können", gab er als Begründung an.

Die Folge: Die Familie erhielt am 28. November 2008 eine Aufenthaltserlaubnis, die bis Dezember 2011 verlängert wurde.

Zwei Monate vor Ablauf der Aufenthaltsgenehmigung beantragte der Vater eine Niederlassungserlaubnis, das bedeutet, er und seine Familie hätten auf Dauer in Deutschland leben können. In diesem Zuge offenbarte er am 1. April 2012 seine wahre Identität und legte seinen echten Pass bei der Ausländerbehörde vor. Er gab an, er habe falsche Personalien aus Angst vor Abschiebung und Verfolgung in Nepal angegeben und bitte, dies zu entschuldigen.

Mit seiner Selbstanzeige kam er den Behörden nur zuvor, die ihn ohnehin wegen dieser Straftat angezeigt hätten. Die Staatsanwaltschaft Duisburg stellte das Verfahren später ein. Die Ausländerbehörde entzog der Familie ihre Aufenthaltserlaubnis, am 14. November 2013 wies sie den Vater aus dem Bundesgebiet aus, binnen zwei Monaten hätte er ausreisen müssen und dann drei Jahre lang nicht wieder einreisen dürfen. Dagegen klagte er vor dem Verwaltungsgericht, das die Klage im März 2016 ablehnte.

Das Gericht stellte fest, dass die Aufenthaltserlaubnis unter dem Aliasnamen wegen der "jahrelangen beharrlichen Täuschung" über seine Identität rechtswidrig waren. Es stellte außerdem ein "schwerwiegendes Ausweisungsinteresse" der Bundesrepublik fest. Es bestehe Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Rana habe nicht nur vereinzelt oder geringfügig gegen Rechtsvorschriften verstoßen. "Der Kläger hat unstreitig die deutschen Behörden über einen Zeitraum von nahezu 14 Jahren über seine Identität getäuscht und zur Erlangung einer Aufenthaltserlaubnis sogar einen - für die deutschen Behörden nicht zu erkennenden - gefälschten Pass vorgelegt." Darauf stünden bis zu drei Jahre Haft oder eine Geldstrafe. Daher könne nicht von einem geringfügigen Verstoß die Rede sein, da eine "erhebliche kriminelle Energie" zu der Täuschung nötig gewesen sei.

Auch Bivsi wird in dem Urteil erwähnt, auch für sie gelte die Aufhebung der Aufenthaltserlaubnis wegen der Lüge ihres Vaters.

Die Eltern von Bivsi sind mit ihrer Tochter gemeinsam nach Deutschland zurückgekehrt, damit das Mädchen hier sein Abitur machen kann. Zu ihrer Begleitung haben sie auch einen Aufenthaltstitel bekommen, der aber abläuft, sobald ihre Tochter in drei Jahren volljährig ist. Wie es dann weitergeht, ist bis dahin offen.

Unsere Redaktion hat den Anwalt von Bivsis Vater um eine Stellungnahme gebeten. Bis zum späten Freitagnachmittag gab es keine Rückmeldung von ihm.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung dieses Artikels hieß es, Bivsi sei von Polizisten aus der Schule geholt worden. Tatsächlich waren es Mitarbeiter der Ausländerbehörde. Wir haben den Fehler korrigiert und bitten um Nachsicht.

(heif)
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