Duisburg Bravissimo - Tanzträume aus erster Hand

Duisburg · Thomas Thorausch, seit zwei Jahrzehnten stellvertretender Direktor des Deutschen Tanzarchivs Köln, referierte im Landesarchiv NRW am Innenhafen über den Tanzpionier Kurt Jooss (1901-1979).

 Tanztheater von Kurt Jooss

Tanztheater von Kurt Jooss

Foto: Gert Weigelt / Deutsche Oper am Rhein

Eine überaus interessante Vortragsreihe zur Deutschen Oper am Rhein, die in diesem Jahr 60 Jahre alt geworden ist, findet in diesen Monaten im Landesarchiv statt. Unter dem Motto "Vom Theater-Experiment zum deutschen Spitzeninstitut" werden ganz unterschiedliche Aspekte des mit der Oper verbundenen Kulturlebens dargestellt. Jetzt ging es um den Tanzpionier Kurt Jooss. Es referierte der stellvertretende Direktor des Deutschen Tanzarchivs, Thomas Thorausch.

Joos war ein Wegbereiter des Modern Dance. Der Schüler von Rudolf von Laban etablierte Mitte der 1920er Jahre in Münster als einer der ersten das Tanztheater als selbstständige Sparte an einem deutschen Theater. 1927 gehörte er zu den Mitbegründern der Folkwangschule und übernahm die Leitung der Tanzabteilung. Seine 1928 gegründete Folkwang-Tanzbühne wurde der Essener Oper angegliedert, als er dort 1930 Ballettmeister wurde. Weltberühmt wurde er 1932 mit seinem Antikriegsballett "Der grüne Tisch" auf eigens komponierte Musik für zwei Klaviere von Fritz Alexander Cohen, das auch heute noch regelmäßig aufgeführt wird. 1933 widerstand Jooss dem Druck der NSDAP-Gauleitung in Essen, sich von seinen jüdischen Ensemblemitgliedern zu trennen, insbesondere von Cohen, und emigrierte mit der gesamten Truppe nach England. Von dort aus machten die "Ballets Jooss" eine internationale Karriere. Jooss lehrte ab 1949 wieder an der Folkwangschule. Das neu gegründete Folkwang-Tanztheater musste seine Arbeit 1953 einstellen, da die Stadt Essen den Tanz nicht mehr subventionieren wollte. Der schwere "Ausdruckstanz", der vor dem Zweiten Weltkrieg von Deutschland aus die Welt erobert hatte, war nun nicht mehr so gefragt, zudem war das Publikum durch das "Tausendjährige Reich" nicht mehr daran gewöhnt. Mit der Erweiterung der Folkwangschule zur Hochschule 1963 wurde Jooss zum Professor für Choreographie berufen und zum Direktor des Tanzinstituts ernannt. Seine berühmteste Schülerin war Pina Bausch, die 2008 mit dem Musikpreis der Stadt Duisburg in Verbindung mit der Köhler-Osbahr-Stiftung geehrt wurde. So steht es in der Literatur, doch Thomas Thorausch fügte dem jetzt in seinem Vortrag ",Bravissimo - jetzt wird es klappen...' Tanzträume in Düsseldorf und Essen" noch viele interessante Details hinzu - aus erster Hand, denn der Nachlass von Kurt Jooss befindet sich im Deutschen Tanzarchiv Köln. Jooss war mit seiner Truppe schon 1946 erstmals wieder in Deutschland - in britischer Besatzungsuniform. 1954 wurde er Ballettdirektor an den Städtischen Bühnen Düsseldorf, mit regelmäßigen Gastspielen auch in den Nachbarstädten wie Duisburg, der hiesige Kulturdezernent Dittrich war ein Jooss-Fan. In seinem Konzept für Düsseldorf plante Jooss ein eigenes Ballettzentrum, wie es der heutige Ballettdirektor Martin Schläpfer erst vor einigen Jahren bekommen hat. 1955 erntete ein Strawinsky-Abend mit "Perséphone" nach André Gide (die Uraufführung dieses Werkes 1934 in Paris hatte Jooss gestaltet, unter der musikalischen Leitung des Komponisten) und "Pulcinella" nur enttäuschenden Erfolg. 1956 wurde Jooss übergangen, als die neugegründete Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf/Duisburg auch eine Ballett-Sparte bekam. Gastspiele der großen Compagnien aus Paris, London und New York hatten dem deutschen Publikum die derzeitige technische Überlegenheit des Klassischen Balletts vor Augen geführt.

INGO HODDICK

(hod)
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