Duisburg Caritas kritisiert Arbeitsmarktpolitik

Duisburg · Arbeitslosenreport der Wohlfahrtsverband: Ungelernte brauchen mehr Chancen zur Weiterbildung.

 Sabine Depew von der Caritas bemängelt mangelnde Gerechtigkeit im Umgang mit Arbeitslosen.

Sabine Depew von der Caritas bemängelt mangelnde Gerechtigkeit im Umgang mit Arbeitslosen.

Foto: crei

Der aktuelle Arbeitslosenreport der Freien Wohlfahrtspflege NRW belegt: Je besser qualifiziert Arbeitslose sind, umso leichter finden sie zurück auf den Arbeitsmarkt. Doch wer Hartz IV bezieht, profitiert kaum von beruflichen Weiterbildungsangeboten. Dies zeigt sich auch im Ruhrgebiet.

Im Ruhrgebiet hatten im Dezember des vergangenen Jahres 84.812 der insgesamt 128.485 Arbeitslosen keine abgeschlossene Berufsausbildung. Während Fachkräfte in der Regel schnell eine Stelle finden, ist die Situation für Geringqualifizierte fast aussichtslos. So lag die Arbeitslosenquote von Ungelernten im Ruhrgebiet im Jahr 2017 mit 30,24 Prozent deutlich über der allgemeinen Arbeitslosenquote von 10,06 Prozent. "Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt können wir nur mit Aus- und Weiterbildungen erhöhen", so die Diözesan-Caritasdirektorin des Ruhrbistums Sabine Depew. Auch wenn der Fachkräftemangel in NRW derzeit noch berufsspezifisch und regional begrenzt sei, klagten Arbeitgeber über zunehmende Probleme, Stellen zu besetzen.

Doch obwohl rund 73,63 Prozent der arbeitslosen Hartz-IV-Empfänger keine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen können, sind geringqualifizierte Arbeitslose im Hartz IV-System von beruflichen Aus- und Weiterbildungen weitgehend ausgeschlossen. Zwischen November 2016 und Oktober 2017 entfielen nur 6,24 Prozent der Zuweisungen in Fördermaßnahmen auf Maßnahmen zur Berufswahl, Berufsbildung oder beruflichen Weiterbildung. Im System der Arbeitslosenversicherung waren es im gleichen Zeitraum hingegen 27 Prozent, obwohl Empfänger von Arbeitslosengeld aus der Arbeitslosenversicherung im Ruhrgebiet vergleichsweise besser qualifiziert sind. Sabine Depew sieht darin ein Gerechtigkeitsproblem: "Bildung und Weiterbildung sind die Schlüssel zu Zugängen in auskömmliche Lebensverhältnisse und Einkommen. Wenn arbeitslosen Menschen diese Zugänge verwehrt werden, ist das eine strukturelle Benachteiligung."

In den vorliegenden Zahlen spiegeln sich laut Depew Verfehlungen in der Arbeitsmarktpolitik des letzten Jahrzehnts wider: "An- und ungelernte Arbeitslose müssen viel mehr Angebote zur beruflichen Weiterbildung erhalten, die ihnen idealerweise konkrete Perspektiven auf einen Berufsabschluss eröffnen", kritisiert die Caritasdirektorin. Dazu seien neue Konzepte nötig, die die Wünsche und Talente von Menschen im verfestigten Hartz IV-Bezug berücksichtigten, etwa handwerkliches Geschick und Kreativität. Gleichzeitig benötigten sie aufgrund von problembelasteten Biografien, fehlenden Schulabschlüssen, wenig Lernerfahrung oder schlechten Deutschkenntnissen begleitende Unterstützung. Die Freie Wohlfahrtspflege im Ruhrgebiet fordert, mehr in die Qualifizierung insbesondere von un- und angelernten Arbeitslosen zu investieren und die Mittel dafür deutlich zu erhöhen. "Genau dort, wo die Not der Menschen und die Potentiale zur Fachkräfteentwicklung besonders groß sind, wird am wenigsten investiert. Das widerstrebt nicht nur jedem natürlichen Gerechtigkeitsempfinden, sondern auch der Vernunft", sagt Depew. Für viele Arbeitslose, aber auch etliche prekär beschäftigte Menschen - darunter viele Migrantinnen und Migranten sowie Geflüchtete - kann nach Ansicht der Freien Wohlfahrtspflege im Ruhrgebiet eine nachholende Berufsausbildung oder abschlussbezogene Weiterbildung ein wichtiger Baustein zu Integration und Teilhabe sein.

Mehr anschlussfähige zwei- und dreijährige Ausbildungsgänge, geförderte Umschulungen, Teilzeitausbildungen sowie Vorbereitungskurse auf die Externenprüfung bieten sich hierzu als Wege an.

Die Wohlfahrtsverbände in NRW veröffentlichen mehrmals jährlich den "Arbeitslosenreport NRW". Darin enthalten sind aktuelle Zahlen und Analysen für Nordrhein-Westfalen; Basis sind Daten der offiziellen Arbeitsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit. Jede Ausgabe widmet sich einem Schwerpunktthema.

Hinzu kommen Kennzahlen zu Unterbeschäftigung, Langzeitarbeitslosigkeit und zur Zahl der Personen in Bedarfsgemeinschaften, um längerfristige Entwicklungen sichtbar zu machen.

(RP)
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