Duisburg Chaos nach Gas-Leck

Duisburg · Nach einem Unfall im Metall- und Chemiewerk Grillo ist in Duisburg giftiges Schwefeldioxid ausgetreten. Zwei Arbeiter wurden verletzt, mehr als 150 Menschen mussten ihre Häuser verlassen. Die Dämpfe zogen durch den Stadtteil Marxloh. Bis gestern Abend konnte das Leck nicht abgedichtet werden.

Unfall in Duisburger Chemiewerk
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Die Luft schmeckt beißend, das Atmen kratzt im Hals. Rund um das Metall- und Chemiewerk Grillo im Duisburger Stadtteil Marxloh sind ganze Straßenzüge gesperrt. Hier darf niemand rein, giftige Dämpfe verpesten die Luft. Autokolonnen stauen sich bis zur Autobahnauffahrt. Noch Stunden nach dem Unglück kommen Einsatzwagen an, mit Martinshorn und Blaulicht. Polizei, Feuerwehr, Technisches Hilfswerk, Johanniter, Rotes Kreuz und Ordnungsamt sind mit Großaufgeboten vor Ort. Wie viele Männer und Frauen exakt im Einsatz sind, hat bis zum Abend niemand gezählt. "Hier ist jetzt alles, was Beine und Autos hat", sagt Oliver Tittmann, Einsatzleiter der Feuerwehr.

Gegen 15 Uhr am Nachmittag hatten Arbeiter in einer Halle des Grillo-Werks einen 20-Kubikmeter-Tank mit Schwefeldioxid befüllt. Dabei platzte ein Flansch ab. Das bis dahin flüssige Schwefeldioxid verdampfte, sofort begann giftiges Gas die Halle zu füllen und sichtbar ins Freie zu strömen: "Wie Bodennebel, der um das Gebäude herumkriecht", beschreibt Oliver Tittmann das Bild, das sich den ersten Einsatzkräften vor Ort bot.

Zwei Arbeiter, die mit dem Befüllen des Tanks befasst waren, wurden verletzt. Die Halle wurde gesperrt. Messungen in der Umgebung ergeben in den Stunden nach dem Unfall immer wieder bedenkliche Schwefeldioxid-Werte. In einer Straße in der Nähe des Werks evakuiert die Feuerwehr zwei Mehrfamilienhäuser. Rund 150 Menschen werden in der nahe gelegenen Rhein-Ruhr-Halle untergebracht und versorgt. Schon nach ersten Untersuchungen steht fest, dass mehrere Personen auf weitere medizinische Hilfe angewiesen sind.

"Die Polizei hat uns aus der Wohnung geholt", erzählt eine ältere Anwohnerin verunsichert. "Wir müssten raus, hieß es, da wäre irgendwas passiert. Die haben alle Wohnungsschlüssel eingesammelt. Ich schätze mal, das waren die vom Ordnungsamt."

Immerhin wähnen sich die Menschen im geschlossenen Gebäude in Sicherheit - bis gegen 19 Uhr auch hier die Messgeräte ausschlagen. Jetzt werden alle Evakuierten wieder aus der Halle herausgerufen, während Feuerwehrleute mit technischer Ausrüstung und Gasmasken durch die Gänge wandern. Im Freien verteilen Helfer vom Roten Kreuz die Menschen auf Zelte, die reihenweise auf dem Parkplatz aufgebaut sind. Viele Familien mit kleinen Kindern sind hier, Sanitäter stützen ältere Leute, einige werden auf Tragen transportiert.

Eine Gruppe junger Frauen steht ratlos an der Seite. Die Polizei war mit Lautsprecherwagen herumgefahren und hatte durchgesagt, dass alle Anwohner in den Häusern bleiben und die Fenster geschlossen halten sollten. "Ich kam von der Arbeit und konnte nicht nach Hause, die Straße war abgesperrt", berichtet eine der Frauen. "Die Einsatzkräfte hier wissen auch nicht, was jetzt weiter passiert. Sie haben uns nur gesagt, es könnte Stunden dauern." "Zu Hause sind unsere Verwandten, unsere Familien. Wir wissen jetzt nicht, wie es denen geht", erzählt eine andere.

Die Grillo-Halle selbst ist zu dieser Zeit abgesperrt. Um die Schwefeldioxid-Dämpfe, die ständig entweichen, aus der Luft zu bekommen, sprüht die Feuerwehr einen Wassernebel über das Gebäude. "In der Halle ist immer noch Gas, und sie ist nicht dicht", erklärt Einsatzleiter Tittmann. "Schwefeldioxid-Dämpfe lassen sich aber mit Wasser binden." Erst, wenn vor Ort keine Schwefeldioxid-Werte mehr in der Luft gemessen werden, können sich die Einsatzkräfte darum kümmern, dass die Menschen, die rund um die Rhein-Ruhr-Halle warten, wieder nach Hause können. "Dann gehen wir in jede einzelne Wohnung, führen Messungen durch und lüften", fasst Tittmann zusammen. Das werde wohl bis in die Nacht dauern: "Die Leute können sich auf einen langen Tag einstellen."

Die Einsatzkräfte kamen aus Duisburg, Dinslaken, Oberhausen und Wesel. Für die Beseitigung des Schwefeldioxids auf dem Grillo-Gelände sei das Unternehmen zuständig, so die Duisburger Polizei: "Die Firma Grillo muss jetzt das Gas in der Halle beseitigen." Dafür soll eine Gaswaschanlage zur Verfügung stehen, die saubere Luft ins Gebäude pumpt und die vergiftete Luft reinigt. Bis gestern Abend trat weiter Gas in die Halle aus.

(RP)
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