Duisburg Ciulli inszeniert O'Neill-Stück: Faszinierende Theaterbilder

Duisburg · Wir schreiben das Jahr 1912: Es ist ein Tag im Leben der vierköpfigen US-amerikanischen Familie Tyrone - zugleich übrigens auch das Eröffnungsjahr des Duisburger Theaters, wo das Mülheimer Theater an Ruhr mit dem Schauspiel "Eines langen Tages Reise in die Nacht" von Eugene O'Neill am Freitagabend eindrucksvoll gastierte.

Dem Besucher erschloss sich nicht immer alles, was das Inszenierungsteam von Roberto Ciulli (Regie), Helmut Schäfer (Dramaturgie) und Gralf-Edzard Habben (Bühne) da an faszinierenden Theaterbildern auf die Bühne zauberte. Doch berührt hat die zweistündige Inszenierung gewiss - in welcher Form auch immer. Und genau darum geht es Theater und der Ciulli-Bühne erst recht.

Der Inhalt des Theaterstücks ist der verzweifelte Versuch aller Figuren, die Schuld am eigenen Dilemma seinen Angehörigen zuzuschreiben. So wirft beispielsweise Jamie Tyrone (gespielt von Fabio Menéndez) seinem jüngeren Bruder Edmund vor, er sei durch die Komplikationen bei seiner Geburt schuld an der Morphiumsucht der Mutter. Diese wiederum wirft ihrem Mann James vor, sie mit allen Problemen stets alleingelassen zu haben. Umgekehrt wirft dieser ihr vor, die Schwindsucht von Edmund sei durch seinen Schwiegervater vererbt worden. "Starr mich nicht so an", faucht Mary ihren Mann an. "Es sieht so aus, als würdest du mir etwas vorwerfen." Und an anderer Stelle beklagt sie: "Ihr verlasst mich doch alle." "Nein", sagt James, "du verlässt uns", und spielt damit auf ihren Drogenkonsum an.

Nichts, meinte einst der irische Literaturnobelpreisträger Samuel Beckett, sei komischer als das Unglück. Und so lässt Ciulli seinen Schauspieler Klaus Herzog als James Tyrone fast fortwährend lachend seine Texte sprechen und auch Simone Thoma als Mary Tyrone macht beim Erzählen häufig ein grinsendes Gesicht.

Bühnenbildner Habben hat der trinkenden Männerwelt in der Familie ein ertrinkendes Umfeld aus zwei flachen Pools, in denen Bücher, ein Koffer (mit Drogenpäckchen und Strampler), eine Brille, Gläser und noch vieles mehr schwimmen, als Schauplatz auf die Bühne gesetzt. Unaufhörlich tropft zudem hörbar Wasser als Klangkulisse, wie, als wenn die Zeit abläuft. Und das Ende der Aufführung? Es ist anders als bei O'Neill. Ciulli will weder eine Versöhnungsgeste, noch die Apokalypse. Stattdessen wählt er ein Kinderspiel: "Mutter, Mutter, wie weit darf ich reisen?". Dieses lässt er die Familie gemeinsam, jedoch unversöhnlich miteinander spielen. Es findet nur kein Ende, geschweige denn führt es zum Ziel, das die Mutter mit "bis ans Ende der Welt" vorgibt.

(RP)
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