Duisburg Computermaus als Stimmungsskala

Duisburg · Fünf Wissenschaftler, darunter Prof. Dr. Martin Thomas Hibbeln von der Universität Duisburg-Essen, haben ein Programm entwickelt, das die Gefühlslage eines Internetnutzers anhand der Mausbewegungen abliest.

 BWL-Professor Dr. Martin Thomas Hibbeln hat sich ziemlich garstige Experimente ausgedacht, um Forschungsergebnisse zu bekommen.

BWL-Professor Dr. Martin Thomas Hibbeln hat sich ziemlich garstige Experimente ausgedacht, um Forschungsergebnisse zu bekommen.

Foto: preuss (ude)

Wer schlecht gelaunt ist, kann sich noch so zusammenreißen - die Computermaus verrät's: Mit Wut im Bauch führt man sie nämlich abrupter und langsamer. Das hat ein internationales Forscherteam entdeckt, zu dem auch BWL-Professor Dr. Martin Thomas Hibbeln von der Universität Duisburg-Essen (UDE) gehört.

Die fünf Wissenschaftler haben ein Programm entwickelt, das die Gefühlslage eines Internetnutzers anhand der Mausbewegungen abliest. Es soll helfen, Webseiten und -formulare zu verbessern. Die Maus als Stimmungsbarometer oder Stimmungsskala: Mehrere Experimente, darunter auch ziemlich garstige, haben Hibbeln und seine Kollegen hierfür durchgeführt. Beispielsweise über einen Intelligenztest, dessen Aufgaben kaum zu lösen waren.

"Wir haben die Teilnehmer gezielt frustriert und verärgert. Unter anderem waren die Webseiten so manipuliert, dass sie sich nur langsam aufbauten; den Probanden lief die Zeit davon. Nach dem Test bekamen sie gleich das Ergebnis: nämlich dass sie unterdurchschnittlich intelligent sind, weil sie weniger Aufgaben korrekt beantwortet hatten." Die frustrierte Gruppe bekam einen weiteren Test.

Wie genervt die Teilnehmer waren, konnten die Forscher an den Mausbewegungen ablesen. "Wenn sie gelassen gewesen wären, hätten sie den Cursor in geraden oder leicht gekrümmten Kurven bewegt. Aber sie haben die Maus eckig und abrupt geführt und - was uns erstaunt hat - langsamer anstatt schneller", so Hibbeln. Parallel löste eine Vergleichsgruppe, die man zuvor nicht verärgert hatte, die Aufgaben.

Die Ergebnisse bringen verschiedenen Seiten etwas, beispielsweise im Online-Shopping: "Ist ein Käufer frustriert, weil er mit der Bedienung der Website nicht klar kommt oder weil er ein gesuchtes Produkt nicht findet, wird er wahrscheinlich die Seiten verlassen", erklärt BWL-Experte Hibbeln. "Für den Shop-Betreiber wäre es hilfreich, automatisiert zu erkennen, an welchem Punkt das geschieht." Das neue Programm könnte aber auch Versicherungen nutzen, Betrugsfälle bei online gemeldeten Versicherungsschäden aufzudecken. "Wer nicht wahrheitsgemäß auf eine Ja/Nein-Frage antwortet, verrät sich meist durch eine unbewusste Mausbewegung."

Doch macht uns diese Technik nicht noch gläserner? Wenn das Netz bald sogar spürt, wie man gelaunt ist, weiß es tatsächlich alles. Professor Hibbeln kann diese Bedenken nachvollziehen: "Auch heute schon werden solche Nutzungsdaten erhoben. Vielen Usern ist das nur gar nicht bewusst. Es wäre u.a. wichtig, dass sie vorab explizit einwilligen." Er sieht aber auch positive Aspekte: "Jeder ärgert sich zuweilen über schlechte Webseiten. Mousetracking ist ein Mittel, sie zu verbessern. In einem Laden findet man es als Kunde doch auch unmöglich, wenn der Verkäufer sein Standardprogramm herunterspult, obwohl man unzufrieden ist."

Die Forschungsergebnisse wurden in der amerikanischen Fachzeitschrift MIS Quarterly veröffentlicht, Titel: "Inferring Negative Emotion from Mouse Cursor Movements". Die Autoren sind Martin Hibbeln (Lehrstuhl für Finance, Mercator School of Management der UDE), Jeffrey L. Jenkins (USA), Christoph Schneider (Hong Kong), Joseph S. Valacich (USA) und Markus Weinmann (Liechtenstein).

(RP)
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