Duisburg Das Traumzeitfestival ist im Wandel begriffen

Duisburg · Am vergangenen Wochenende stieg im Landschaftspark das Traumzeitfestival. Es überzeugte vor allem durch unbekanntere Künstler.

 Die französische Ausnahmesängerin Zaz übertraf am Sonntag mit ihrem großartigen Konzert beim Traumzeitfestival alle Erwartungen.

Die französische Ausnahmesängerin Zaz übertraf am Sonntag mit ihrem großartigen Konzert beim Traumzeitfestival alle Erwartungen.

Foto: Jonas Schlömer

Die Ausnahmesängerin Zaz setzte am Sonntagabend den Schlusspunkt des dreitägigen Traumzeitfestivals im Landschaftspark, das in diesem Jahr zwar keinen neuen Besucherrekord aufgestellt hatte, dafür aber mit einem gewohnt exotischen Programm aufwartete. Auch Kulturdezernent Thomas Krützberg, Uwe Gerste von Duisburg Marketing und das Organisationsteam um Frank Jebavy waren zufrieden mit dem zweiten Traumzeitfestival mit neuer Ausrichtung und prophezeiten dem Festival eine goldene Zukunft.

 Jesper Munk (links) brachte mit seinem Trio den Bluesrock-Sound des vergangenen Jahrhunderts authentisch auf die Bühne.

Jesper Munk (links) brachte mit seinem Trio den Bluesrock-Sound des vergangenen Jahrhunderts authentisch auf die Bühne.

Foto: Jonas SChlömer

4200 Karten seien bis Sonntagnachmittag verkauft worden, etwas weniger als erhofft, so Jebavy. "Wir wollen dem Festival aber genug Zeit zur Entwicklung geben", erklärte er, "wir brennen alle für das Festival und können uns nicht mehr vorstellen, es nur alle zwei Jahre zu organisieren." Auch Krützberg ist von der Zukunft des Musikfests überzeugt. "Das Festival hat sich wieder ein bisschen verjüngt", freute er sich. Uwe Gerste bewies die geglückte Verjüngungskur mit beeindruckenden Zahlen von Facebook und Twitter. Ganz nebenbei bemerkte Krützberg, dass sich in diesem Jahr auch eine neue Tradition gegründet habe. Von nun an soll jeder Traumzeit-Sonntag von der hervorragenden Big-Band der Musik- und Kunstschule eröffnet werden, die schon am frühen Nachmittag für begeisterte Zuschauer sorgte.

 Marcus Wiebusch nahm mit einem Bläsersatz zumindest ein wenig Abstand vom Popallerlei, bewegte sich aber textlich gefährlich nah an der Schlagergrenze.

Marcus Wiebusch nahm mit einem Bläsersatz zumindest ein wenig Abstand vom Popallerlei, bewegte sich aber textlich gefährlich nah an der Schlagergrenze.

Foto: Jonas Schlömer

Musikalisch ging die Traumzeit während der drei Tage unbeirrt den Weg, der im vergangenen Jahr mit der Premiere der "neuen" Traumzeit vorgegeben worden war: weg von Jazz und Weltmusik, hin zu viel ungewöhnlichem Pop mit Indie-Einschlag mit seltenen Folk-Unterbrechungen. Obwohl Künstler wie Judith Holofernes und Marcus Wiebusch, Nils Frahm und Hauschka und viele weitere sehr ähnliche Musik spielten, gab es immer noch genug Künstler, die sich aus der Masse der Indie- und Deutschpopper abhoben.

"Die höchste Eisenbahn" etwa sorgte mit unglaublich raffinierten Texten für offene Münder, genauso wie die Belgierin Selah Sue, die mit unverwechselbarer Stimme und entspannten, jazzigen Arrangements für einen Bilderbuchsonntag sorgte.

Eine Errungenschaft des Festivals war zudem der Abschied von der Zentrierung auf einzelne Headliner. Bis auf die Französin Zaz, die mit ihrem großartigen Konzert alle Erwartungen übertraf, liefen die unbekannteren Bands den ausgewiesenen Headlinern zunehmend den Rang ab. Die vermeintliche deutsche Pop-Hoffnung "The Notwist" untermalte ihre schwer verdaulichen Soundcollagen zwar mit einer beeindruckenden Lightshow; den Maßstab, musikalisch wie auch für die Stimmung im Publikum, setzten am Samstag aber die Mexikaner von Panteón Rococó. Von weiten Melodiebögen bis zu komplizierten Polyrhythmen boten die Südamerikaner alles, was das Herz begehrt.

Der programmatisch stärkste Tag, der Traumzeit-Sonntag, wartete nicht nur mit dem Trio um Jesper Munk auf, der den Bluesrock-Sound des vergangenen Jahrhunderts authentisch auf die Bühne brachte, sondern eben auch mit Zaz in Höchstform. Während MIA am Freitag vom Publikum eher verhalten angenommen wurde, brauchte die französische Ausnahmestimme keine vier Takte, um die ganze Kraftzentrale in Mitsinglaune zu versetzen. Von lupenrein gespielten Jazzstandards, über Gypsyswing à la Django Reinhardt zu Pop und Soul spielte die beeindruckende Band die perfekte Untermalung für Zaz. Zwischendurch reichte eine Ballade mit gewitzten harmonischen Wendungen, um das Publikum wieder zu beruhigen, das Tüpfelchen auf dem i waren die durchdachten Bläsersoli und der kurze Ausflug in eine Samba.

Das statt Legenden wie Sonny Rollins oder Pat Metheny jetzt vermehrt musikalische Geheimtipps auf den Bühnen stehen, muss sich in den kommenden Jahren noch beim alten und potenziell neuen Publikum herumsprechen. Nur so kann der radikale Wandel, der programmatisch schon vollzogen wurde, auch mit den Besuchern gelingen.

(jos)
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