Duisburg Demenz aus anderer Perspektive

Duisburg · Das Bochumer Schauspielhaus gastierte im Duisburger Stadttheater mit dem Stück "Vater" des französischen Autors Florian Zeller. Es war ein beeindruckender Theaterabend.

 "Vater", eine tragische Farce zum Thema Demenz: Ein brillantes Stück mit einem überragenden Schauspieler als Titelfigur. Auf dem Foto rechts: Bernd Rademacher als André. Links vorne Sarah Grunert als Laura und hinten Xenia Snagnowski als Tochter Anne.

"Vater", eine tragische Farce zum Thema Demenz: Ein brillantes Stück mit einem überragenden Schauspieler als Titelfigur. Auf dem Foto rechts: Bernd Rademacher als André. Links vorne Sarah Grunert als Laura und hinten Xenia Snagnowski als Tochter Anne.

Foto: diana küster (Schauspielhaus Bochum)

Das Thema des Theaterabends am Donnerstag im Duisburger Stadttheater war Demenz, eine Krankheit, die weit verbreitet und allgegenwärtig ist. Doch anders als viele andere Theaterstücke zu diesem Thema, ist "Vater" des französischen Romanciers und Gegenwartsdramatikers Florian Zeller aus der (angenommenen) Perspektive eines an Demenz Erkrankten erzählt. Das Ergebnis des Dramas ist eine tragische Farce, wie es im Untertitel der Bochumer Schauspielhaus-Inszenierung heißt, brillant vom Autor geschrieben und von Alexander Riemenschneider in Szene gesetzt als auch ebenso genial von Bernd Rademacher als Titelfigur gespielt.

Im Dunkel des im schwarzen Kabinettstil von David Hohmann gebauten Bühnenbildes beginnt das Stück. Und ebenso sinnbildlich für die Titelfigur endet es auch. In und aus diesem Raum heraus erzählt Zeller eine Geschichte von fünf Tagen im Leben von André, einem älteren in Paris lebenden Mann, der an Demenz erkrankt ist. Doch es ist keine Geschichte über ihn, sondern vielmehr eine von ihm - eine aus seiner Sicht der Dinge erzählende. Und genau die vielen Dinge um ihn herum und in ihm selbst werden mehr und mehr vergessen und vermisst, verdrängt und gesucht, beziehungsweise tauchen teils als Angst- teils als Zerrbilder in seiner (Fantasie-)Welt wieder auf. In diesem Kontext bleibt der Zuschauer im Theatersaal nicht allein nur teilnehmender Beobachter, sondern ist zuweilen ebenso verwirrt und orientierungslos die Handlung das Stück betreffend, wie André mit seinen Sinnen in seinem Leben, in dem er zunehmend nicht mehr zwischen seiner subjektiven Innen- und der tatsächlichen Außenwelt unterscheiden kann.

Tag eins des Stückes spielt in Andrés Wohnung. Dort beschuldigt er seine Pflegekraft eines Diebstahls, was sich aber als unwahr herausstellt. Weil diese trotzdem bei ihrer Kündigung bleibt und André nach Ansicht seiner Tochter Anne (gespielt von Xenia Snagowski) nicht alleine dort leben kann, nimmt diese ihn bei sich auf. An Tag zwei lebt André bereits bei seiner Tochter und ihrem Lebensgefährten Pierre (gespielt von Roland Riebeling). Dort stellt sich Laura (gespielt von Sarah Grunert) als neue Pflegekraft vor. An Tag drei ist Lauras erster Arbeitstag. Währenddessen gesteht André ihr, dass er "kleine Löcher in seinem Kopf" habe. Am Abend eskaliert (in seinem Kopf) dann eine Situation zwischen André und einem Pierre ähnlich aussehenden Mann (gespielt von Nils Kreutinger). An Tag vier besichtigen Vater und Tochter eine Pflegeeinrichtung. Tag fünf zeigt André zusammen mit einer Krankenschwester (gespielt von Kristina Peters) in diesem Heim, wo er nunmehr seit Wochen lebt.

Neben den besagten Schauspielern tritt zwischen den einzelnen Tagesabschnitten fortwährend ein achtköpfiger "Bewegungschor" auf und verändert die jeweiligen Bühnenbilder der verschiedenen Wohnungseinrichtungen, teils Verwirrung stiftend, teils bis zur Unkenntlichkeit. "Ich habe das Gefühl, dass ich all meine Blätter verliere", sagt André hilflos zurückgelassen und allein am Schluss. Offenbar schließt sich in diesem Moment, dem Dunkel der Umnachtung, der Kreislauf des Lebens vom gesunden jungen Kind zum kranken alten Kind. Ein beeindruckender und zu Recht mit viel Applaus bedachter Theaterabend neigte sich damit dem Ende zu und mit ihm verneigte sich zugleich ein großartig aufspielendes Schauspielensemble.

OLAF REIFEGERSTE

(RP)
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