Duisburg Den Klimawandel erfahrbar machen

Duisburg · Duisburger Premiere eines außergewöhnlichen Radio- und Klangkunstprojektes zu den Umwelttagen und zum Hafenfest im Kreativquartier Ruhrort.

 Sukandar Kartadinata und Werner Cee konzipieren die Klanginstallation.

Sukandar Kartadinata und Werner Cee konzipieren die Klanginstallation.

Foto: Olaf Reifegerste

Seit Dienstagabend steht sie nun bizarr da auf der Empore des Gemeindehauses im Kreativquartier Ruhrort: die außergewöhnliche Klanginstallation des international renommierten Klangkünstlers und Komponisten Werner Cee, die es zuvor nur in Berlin zu besichtigen gab. "Klima - Anlage" ist der Name der begehbaren Rauminstallation, die Wetter- und Klimadaten hörbar und damit erlebbar macht. Vorgestern war die Vernissage mit ihrer Präsentation, einer Podiumsdiskussion und anschließender Live-Performance von und mit Werner Cee und dem Musiker und Instrumentenbauer Sukandar Kartadinata.

"Klima - Anlage" ist ein Projekt von Deutschlandradio Kultur in Berlin und Werner Cee, dem Institut für Elektronische Musik und Akustik (IEM) in Graz sowie dem Exzellenzcluster Kognitive Interaktionstechnologie (CITEC) der Universität Bielefeld. Veranstalter der Ausstellungspremiere in Duisburg, die sowohl Teil der Duisburger Umwelttage (5. bis 26. Juni) als auch des Ruhrorter Hafenfestes (3. bis 6. Juni) ist, sind das Kreativquartier, die KulturWerft Ruhrort und das Lokal Harmonie in Zusammenarbeit mit dem Deutschlandradio Kultur. Die löbliche Idee, die Klanginstallation nebst aller Begleitveranstaltungen nach Duisburg zu holen, hatte der Musiker, Komponist und Programmgestalter Wolfgang van Ackeren.

"Klima - Anlage" ist eine datengesteuerte Klanginstallation, die wesentliche Aspekte des Klimawandels über das Hören erfahrbar machen will. Das hat gegenüber der Aufbereitung mit Schaubildern oder Tabellen klare Vorteile. Denn unser Ohr nimmt Informationen anders wahr als unser Auge. Es erkennt feinere Abstufungen und erfasst alle Richtungen gleichzeitig. Die wissenschaftlich-methodische Grundlage ist die sogenannte Sonifikation, also die systematische Darstellung von Daten zur Vermittlung von Informationen mittels (meist) nichtsprachlicher Klänge und Geräusche. Die akustische Aufbereitung der Klimadaten basiert wiederum auf einem Verfahren namens "SysSon", entwickelt vom IEM in Graz.

Eingespeist in das elektronische Klangsystem wurden tatsächliche Messdaten zu Niederschlag, Temperatur, Sonneneinstrahlung und Wind aus den Jahren 1950 und folgende bis hin zu prognostizierten im Jahre 2100. Anhand dieser Messwerte macht die Anlage einen Wetter- und Klima-Zeitraum von 150 Jahren in 12 verschiedenen Regionen der Erde hörbar.

Der Niederschlag wird durch Tropfen im Wasserbecken akustisch gemacht, die Temperatur über das Schwingen hängender Bleche, die Sonneneinstrahlung über Saiteninstrumente und der Wind über das Rauschen von Marmor-Schallplattenspielern. Ein Jahr in der Wirklichkeit werden bei der "Klima - Anlage" zu sechs Sekunden gerafft. So beträgt das Zeitfenster der Weltklimaveränderung besagter 150 Jahre in der Klanginstallation nur 15 Minuten.

In der "Klima - Anlage" verschmelzen folglich Kunst und Wissenschaft. Und genau dieser Zusammenhang war auch Thema der von Marcus Gammel (Deutschlandradio Kultur) moderierten Podiumsdiskussion, an der neben Werner Cee, Prof. Dr. Sabine Sanio von der Universität der Künste Berlin, Guido Halbig vom Deutschen Wetterdienst in Essen und - per Skype zugeschaltet - Dr. Thomas Hermann vom CITEC der Universität Bielefeld teilnahmen. Übereinstimmend war man dabei unter anderem der Ansicht, dass "Sonifikation", also die Verklanglichung von Daten, sowohl in der Alltagswelt von zum Beispiel blinden Menschen als Ersatz für den Sehsinn eine Hilfe und Inspiration zugleich sein kann (Hermann) als auch in der Kunstwelt, wenn sich jedwede Atmosphäre auch in eine poetisch-akustische Darstellung transformieren lässt (Cee).

(RP)
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