Rp-Serie Duisburger Geschichte Und Geschichten Der Blick auf Köln führt in die Irre

Duisburg · Stadtarchäologe Dr. Kai Thomas Platz entlarvt mit Fakten und Argumenten den Mythos des Niedergangs Duisburgs zum Ackerbürgerstädtchen.

 Der Schiffsanlegeplatz am Schwanentor, Corputiusplan 1566. Unten erkennt man farbig markiert sieben Schiffe.

Der Schiffsanlegeplatz am Schwanentor, Corputiusplan 1566. Unten erkennt man farbig markiert sieben Schiffe.

Foto: Küst. Bildnachweis: Original im Kultur-und Stadthistorischen Museum

Bis zur Verlagerung des Rheinarms im 13. Jahrhundert ("zur Zeit der Kaiserpfalz") war alles in Ordnung, danach ging "alles den Bach 'runter". Das wenig selbstbewusste Bild prägt bis heute das falsche Geschichtsverständnis. Aus der Perspektive des 19. Jahrhunderts ließen sich die Lokalhistoriker dazu verleiten, die "vorindustrielle" Zeit mit einer bäuerlichen Epoche gleichzusetzen. Duisburg braucht ein neues Geschichtsverständnis, so der Stadtarchäologe Dr. Kai Thomas Platz. Er entlarvt mit Fakten und Argumenten den Mythos des Niedergangs Duisburgs zum Ackerbürgerstädtchen.

"Es kann überhaupt nicht die Rede davon sein, dass Duisburg vom Wasserweg abgeschnitten war und deshalb einen wirtschaftlichen Niedergang erlitten hätte", so Platz. Die Gründe für wirtschaftliche Krisen lagen woanders: Gegen Ende des 14. Jahrhunderts nahmen die Fehden im Rheinland unter Engelbrecht von der Mark (1366-1391) deutlich zu und hatten negative Auswirkungen auf den Handel. Gleichwohl gelang es der Stadt immer wieder aus dem Krisenmodus herauszufinden und über viele Jahrhunderte eine respektable Rolle unter Deutschlands Städten einzunehmen. Das beweist Kai Thomas Platz mit einer kartographischen Flächenanalyse mittelalterlicher Städte. Als Vergleichsregion von 100 Kilometer Durchmesser zog er dabei den Raum Nürnberg heran, in dessen Mittelpunkt Nürnberg als zweitgrößte Stadt im damaligen Deutschland umringt von über 40 Städten lag. Danach belegt Duisburg einen der obersten Plätze im mittelalterlichen Städteranking dieses Raums. Das hatten die Lokalhistoriker im 19. Jahrhundert nicht im Blick.

Der andauernde Vergleich mit der Metropole Köln, die die einwohnerstärkste mittelalterliche deutsche Stadt war, verstellte den Blick auf das Ganze. Tatsächlich braucht sich Duisburg nicht zu verstecken. Sinnvoller sei der Vergleich mit Residenzstädten wie Erlangen oder freien Reichsstädten wie Weißenburg.

Bereits im Mittelalter spielte Duisburg mit den Ressourcen Wasser, Kohle und Eisenverhüttung eine herausragende Rolle im Konzert der mittelalterlichen Städte. Kai Thomas Platz nutzt archäologische, geografische und historische Methoden. So belegen die historischen Quellen und der Corputiusplan die Bedeutung der Schifffahrt für Duisburg in einer Zeit, als es angeblich keine mehr gegeben hat: Im 16. Jahrhundert legten am Schwanentor unter anderem Kohlenschiffe an. "Diese Kohlenschiffe hatten eine Tonnage von bis zu 25 Karren, das heißt 16 Wagen, also durchaus Schiffe von großem Ladevolumen", so Platz. 1665 wurde dieser Stadthafen mit einer neuen Kaimauer ausgebaut und war seitdem auch mit dem größten auf dem Niederrhein verwendeten Schiffstyp, der Samoureuse, erreichbar.

Über viele Jahrhunderte war Duisburg ein Umschlagplatz für Güter aller Art. Am Stapeltor eröffnete sich mit dem Hellweg eine Ostverbindung bis über Dortmund, Paderborn bis nach Corvey. Die geografische Rhein-Ruhr-Lage machte die Stadt immer zu einem Knotenpunkt. Die Aufnahme der Börtschifffahrt nach Nijmegen ab 1674 als Linienschiffverkehr belegt die Bedeutung der Wasserstraße für Duisburg.

Sie nahm im 18. Jahrhundert noch deutlich zu. Die Ressource Wasser wurde zudem als Energielieferant für die Mühlen genutzt. Mindestens seit dem Spätmittelalter werden neben den obligatorischen Getreidemühlen auch Ölmühlen, Walkmühlen, Lohmühlen, Papiermühlen, Sägewerke, ein Hammerwerk, eine Kupfermühle und Schleifmühlen für Steine, Glas und Metallwaren genannt. Das Vorkommen dieser Mühlen belegt, dass im Gebiet des heutigen Duisburg bereits eine differenzierte Produktion verschiedener Güter betrieben wurde, die, wo es möglich war, auch die Wasserkraft nutzte. Das gilt auch für Raseneisenerzabbau (Eisenhaltiger Sand, Ton oder Kies) seit mindestens 1618. Weiterhin gab es Gewerbe, die auf eindeutige Außenbeziehungen hindeuten. Nicht vergessen werden sollte, dass die Stadt seit Gerhard Mercator bereits einen bedeutenden Stellenwert als Bildungsstandort hatte, der 1655 mit der Gründung der Universität zu überregionaler Bedeutung gelangte.

Das Fazit von Dr. Kai Thomas Platz lautet: "Duisburg war keineswegs eine bedeutungslose Ackerbürgerstadt. Die Rheinverlagerung führte zur Anlage eines Stadthafens vor dem Schwanentor, die Stadt pflegte auch im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit bis zur Industrialisierung vielfältige Außenbeziehungen. Sie verfügte ab dem 16./17. Jahrhundert längst über frühindustrielle Strukturen, die den Auftakt für eine dynamische Entwicklung in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts bildete."

(RP)
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