Duisburg Der Gigant als Würstchen aus Bronze

Duisburg · Der österreichische Künstler Erwin Wurm zeigt ab heute im Lehmbruck-Museum ganz neue Werke, bei denen der Humor eine wichtige Rolle spielt. Seine "Würstelkunst" macht Spaß, steckt aber auch voller Hintersinn.

 Erwin Wurms "Würstelkunst" ist jetzt im Lehmbruck-Museum zu sehen. Die Ausstellung zeigt ihn von seiner humorvollen Seite.

Erwin Wurms "Würstelkunst" ist jetzt im Lehmbruck-Museum zu sehen. Die Ausstellung zeigt ihn von seiner humorvollen Seite.

Foto: Christoph Reichwein

So etwas kennt man aus Film, Fernsehen und der Wirklichkeit: Da baut sich jemand vor einem anderen auf, stemmt die Arme in die Seiten und blafft sein Gegenüber an. Wer den knapp drei Meter hohen "Giganten" von Erwin Wurm sieht, der ab heute seine jüngsten Werke in der Glashalle des Lehmbruck-Museums zeigt, wird sich an so eine Szene erinnern - und schmunzeln. Die mächtig aufgeblähte Figur ist nämlich unverkennbar aus Wurstformen zusammengesetzt.

Mit dem österreichischen Künstler Erwin Wurm (Jahrgang 1954) setzt das Lehmbruck-Museum seine Ausstellungsreihe fort, bei der bedeutende Bildhauer der Gegenwart in ziemlich rascher Folge Werke zeigen, die ganz unterschiedliche Positionen zur Skulptur des 21. Jahrhunderts repräsentieren. Die Ausstellung "Abstract Sculptures" von Erwin Wurm ist die humorvollste dieser Reihe.

Erwin Wurm ist übrigens 1983 schon einmal Gast im Lehmbruck-Museum gewesen. Damals nahm er an der Gruppenausstellung "Bella Figura" teil, bei der sich Künstler mit dem Thema "Schönheit" auseinandersetzten. Wurm wählte auch damals schon einen frech-anarchistischen Ansatz: Seine "schöne Figur" bestand aus Brettern, die zu einer halbwegs gegenständlich wirkenden Figur zusammengezimmert worden war.

Wurm, seit 2002 Professor für Bildhauerei und Multimedia in Wien, misstraut allem, was wichtig, mächtig, heroisch, kühn, autoritär und bedeutungsheischend erscheint. Vor einigen Jahren nahm er sich beispielsweise den Sockel in der Kunst vor. Wurm sorgte für Staub auf Sockeln und zeigte damit, dass längst nicht alles, was auf Sockeln steht, kunstwürdig ist. Besonders bekannt wurde er durch seine Serie "One Minute Sculpture", bei der die Besucher selber zur Skulptur wurden, indem sie mit zum Teil skurrilen Objekten posierten und fotografiert wurden. Die "Würstelkunst" ist die jüngste Idee des Künstlers, der im vergangenen Jahr mit dem Großen Österreichischen Staatspreis ausgezeichnet wurde. Die Werke aus glänzender Bronze, die nun im Lehmbruck-Museum gezeigt werden, wurden zuvor noch niemals öffentlich ausgestellt. Man kann sich an diesen Skulpturen vorbehaltlos erfreuen. Noch mehr Spaß macht die Ausstellung jedoch, wenn man für den Hintersinn offen ist, der sich mit Komik paart. Herrlich wie Erwin Wurm den Gestus der Überlegenheit bricht, in dem er das Wichtigtuerische der Lächerlichkeit preisgibt.

Dabei nimmt er auch den Kunstbetrieb aufs Korn, bei dem es zurzeit anscheinend nicht groß genug hergehen kann. Nicht zuletzt spielt der Künstler mit der neueren Kunstgeschichte. Seine Wurst-Arbeiten parodieren zum Teil Meilensteine der Kunstgeschichte. Da sind zwei Würstchen eng umschlungen und erinnern in dieser Pose an Rodins "Der Kuss".

Die Skulptur "seitlich liegend" könnte einschlägigen Werken von Henry Moore nachempfunden sein. Die Bronzearbeit "Ich ideal" ist eine neckische Verbeugung vor Giacomettis Schreitendem. Und eine hochaufgebaute Würstchenskulptur wird mit dem Titel "Turm der Sozialistischen Internationale" versehen, frei nach Wladimir Tatlin.

Mit Sockeln spielt Erwin Wurm übrigens auch im Lehmbruck-Museum. Einige Werke stehen nämlich auf umgekippten Schränkchen, Konsolen oder einem Hocker. Allesamt Möbel, die der Künstler für die Ausstellung "gesucht" hat.

Die Ausstellung wird am heutigen Samstag, 16 Uhr, eröffnet. Es sprechen Museumsdirektorin Dr. Söke Dinkla und Ronja Friedrichs, Mitkuratorin der Ausstellung. Erwin Wurm wird auch dabei sein. Ausstellung bis 28. September.

(RP)
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