Theater Duisburg Der perfekte Wahnsinn der Hinterbühne

Duisburg · Als letztes Schauspiel des Jahres 2016 im Theater der Stadt Duisburg gastierte das Maskentheaterensembel "Familie Flöz" mit einer Neufassung des Erfolgsstücks "Teatro Delusio". Eine geniale Mischung aus Tragik und Slapstick.

 Das "Teatro Delusio" ist eine liebevolle Parodie auf Figurentheater, Oper, Ballett, Varieté und nicht zuletzt das Schauspiel.

Das "Teatro Delusio" ist eine liebevolle Parodie auf Figurentheater, Oper, Ballett, Varieté und nicht zuletzt das Schauspiel.

Foto: simona boccedi (familie flöz)

Familie Flöz wurde vor gut zwei Jahrzehnten gegründet, als Ergebnis jenes Studiengangs an der Essener Folkwang-Hochschule, der ursprünglich "Pantomime" hieß, damals "Mime" und heute "Physical Theatre" heißt, gemeint ist das Schauspiel ohne Worte. Der Name ihres ersten Stückes, "Familie Flöz kommt unter Tage", ist geblieben. Seit 2001 sitzt Familie Flöz in Berlin, mit ständigen "Außenposten" am Theater Duisburg und am Theaterhaus Stuttgart.

Jetzt kam das Flöz-Stück "Teatro Delusio" zum zehnten Mal in unserer Stadt auf die Bühne - in einer Neufassung, denn eigentlich sollte es seit Silvester 2012 nicht mehr gespielt werden, das Bühnenbild war sogar schon auf dem Sperrmüll gelandet. Da Familie Flöz inzwischen weltweit tourt, gibt es jeweils mehrere Gastspiel-Besetzungen, hier sahen wir jetzt nicht mehr die Macher Michael Vogel (Regie und Bühne) und Hajo Schüler (Masken) selbst, sondern die junge Truppe Andrès Angulo (aus Kolumbien), Johannes Stubenvoll (aus Österreich) und Thomas van Ouwerkerk (aus den Niederlanden).

In "Teatro Delusio" geht es um die Bühnenarbeiter Bernd, Bob und Ivan. Vom Glanz der "Bretter, die die Welt bedeuten", nur durch eine spärliche Kulisse getrennt und doch Lichtjahre davon entfernt, kämpfen sie um ihr Glück. Der sensible und kränkliche Bernd sucht Erfüllung in der Literatur, findet sie jedoch plötzlich in Person der verspäteten Ballerina. Bobs Sehnsucht nach Anerkennung treibt ihn zu Triumph und Zerstörung. Ivan will die Kontrolle im Theater nicht verlieren und verliert dabei alles andere. Plötzlich stehen sie selbst auf jenen Brettern, die ihre Welt bedeuten. Gelegentlich erscheint ihnen der elegische Geist der Bühne.

Das ist der poetische Wahnsinn der Hinterbühne, eine liebevolle Parodie auf Figurentheater, Oper, Ballett, Varieté und nicht zuletzt Schauspiel (daran erinnern die Leiter zu einem hohen Fenster aus Samuel Becketts "Endspiel" und eine Shakespeare-Büste). Es wird getanzt, geschmachtet, gefochten, geliebt und gelitten.

Das sind anderthalb pausenlose Stunden geniale Mischung aus Tragik und Slapstick. Und natürlich das immer wieder faszinierende Wunder des Maskentheaters, dass die eigentlich ja starre Mimik der Masken durch kunstvollen Einsatz des Restkörpers belebt zu werden scheint. Die drei Spieler verkörpern in "Teatro Delusio" etwa 30 Rollen. Da sie zu Beginn ohne Masken als "echte" Bühnenarbeiter zu sehen sind, liegt ein Vergnügen für die Zuschauer darin zu überlegen, wer gerade wen spielt - was man nur bedingt erkennen kann, da einer der Spieler sehr lang und ein anderer sehr klein ist, aber der Kostümwechsel geht so rasend schnell und das Bühnenbild ist so voller verborgener Schlupflöcher, das man nicht alles mitbekommt.

"Teatro Delusio" gibt es in dieser Saison noch einmal im Theater Duisburg, am 8. Juli. Als nächstes Flöz-Stück kommt am 4. März "Infinita" über die ersten und letzten Momente im Leben.

Karten gibt es am einfachsten unter Telefon 0203 / 283 62 100.

(hod)
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