Duisburg Der radelnde Reporter

Duisburg · Egon Erwin Kisch ist als "rasender Reporter" in die Weltgeschichte eingegangen. In der Geschichte der Grafschaft Moers wird Klaus Dieker vielleicht einmal seinen Platz als "radelnder Reporter" einnehmen, obwohl er auch den Titel "rasender Reporter" verdient hätte - zumindest aus der Sicht eines schon etwas betagteren Hollandrad-Fahrers.

 Klaus Dieker radelt jährlich bis zu 12.000 Kilometer durch die Stadt Moers.

Klaus Dieker radelt jährlich bis zu 12.000 Kilometer durch die Stadt Moers.

Foto: Christoph Reichwein

Täglich durchstreift er das Verbreitungsgebiet des Grafschafters zwischen Asberg im Südosten und Hoerstgen im Nordwesten. "In der Stadt", sagt Dieker, "bin ich schneller als ein Auto. Außerhalb kaum langsamer." Das klingt für Normalpedalierer ziemlich unglaubwürdig. Aber wer Dieker jemals auf seinem 30-Gang-Stevens Bike auf schmalen, mit neun Atü knallhart aufgepumpten Reifen durch die City hat flitzen sehen, glaubt ihm gerne, dass ein Stundenschnitt von 30 km/h für ihn ganz normal sind.

"Das schaffe ich aber nur mit dem Rennrad", sagt er. "Wenn ich bei schlechtem Wetter aufs Crossbike umsteigen muss, sinkt der Schnitt auf 25 km/h. Dabei fährt der Fotograf ohne Spezialkleidung und ohne Klickpedale, den sieben Kilo schweren Rucksack mit der Fotoausrüstung immer auf dem Rücken. Einen Gepäckträger auf den Renner zu montieren, ginge ihm gegen die Ehre: "Wie sähe das denn aus?!"

Mit diesem Durchschnittsgeschwindigkeiten schafft er die Strecke von der Moerser Redaktion nach Neukirchen in zwölf, nach Kamp-Lintfort in 20, nach Rheurdt in 25 und nach Hoerstgen in 35 Minuten. "Das sind aber Fahrzeiten von Tür zu Tür. Wenn ich mit dem Auto unterwegs bin, muss ich meist noch einen Fußweg zum Wagen und die Suche nach einem Parkplatz einkalkulieren." Die Leidenschaft für die Fortbewegung auf zwei Rädern wurde wohl schon während der Schulzeit geboren. Da schwang er sich bei jedem Sonnenstrahl auf das alte Motobécane seines Vaters und legte so die neun Kilometer lange Strecke zwischen Baerl und dem Franz-Haniel-Gymnasium in Homberg zurück. Nach dem Abitur wechselte er aufs Motorrad: Eine Yamaha 500 SR baute er sich zu einem Chopper um. Allerdings nahm die Bastelleidenschaft ein derartiges Ausmaß an, dass die Umbauten nicht immer das Wohlwollen der Behörden fanden. Irgendwann einmal war er das bürokratische Klein-Klein mit den Zulassungsbehörden leid und stellte die Maschine in die Garage.

Es folgte ein kurzes, aber Parkknöllchenreiches Intermezzo auf vier Rädern. Immerhin fuhr Dieker seinen Opel Astra so lange, wie der TÜV dies zuließ. Das war 2008. Seitdem ist Dieker nur noch per Fahrrad unterwegs. Das Auto habe er, nach eigenen Angaben, kein einziges Mal vermisst. Das stimmt zwar nicht so ganz. Der Autor kann sich an das eine oder andere Mal erinnern, als er Dieker mit seinem Rad bei echtem Sauwetter auf der Straße aufklaubte und ihn samt Rad in einen Kombi verfrachtete. Aber unter dem Strich benötigt er fürs Alltagsgeschäft tatsächlich kein Auto.

Auf diese Weise ist er zu einem Fachmann fürs Fahrrad geworden. Kaum eine Reparatur, die er nicht selbst ausführt. Regelmäßig wäscht er sein Rad mit Wasser und Seife. An Kette und Zahnkränze lässt er kein Fett, sondern nur ein Spezialspray. Alle zwei Jahre wechselt er Kette und Zahnkränze komplett aus. Einmal im Jahr ist ein neuer Mantel fällig. Der Vielfahrer hat die Erfahrung gemacht, dass die meisten Pannen bei nassem Wetter passieren: "Durch die Feuchtigkeit bleiben kleine Splitter am Mantel kleben und bohren sich mit der Zeit bis in den Schlauch hinein." Aber fürs Flicken braucht Dieker nicht viel länger als andere Zeitgenossen fürs Aufpumpen. Inzwischen wirkt Dieker auch dann noch wie frisch vom Fahrrad gestiegen, wenn er Stunden in seinem Stammcafé in der Moerser Altstadt verbracht hat. Mit seinen 1,87 Meter Körpergröße wiegt er immer noch so viel wie vor 30 Jahren: 71 Kilo. Das hat schon so manchem zu dem Irrglauben veranlasst, er habe einen Asketen vor sich. Tatsächlich sind Diekers Schneisen durch diverse Buffets mindestens so markant wie seine Bremsspuren auf dem Asphalt. Auch in Zukunft will er seinem Zweirad treu bleiben: "Ich bin viel weniger krank als andere, und es gibt kaum eine bessere Methode, auch im Alter fit zu bleiben, als täglich Fahrrad zu fahren."

(RP)
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