Arbeit In Duisburg Der Traum von der Vollbeschäftigung

Duisburg · Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Duisburg auf dem Weg zur Vollbeschäftigung, wenn da nicht die Katastrophe des Ersten Weltkriegs gewesen wäre. Danach war der Traum davon endgültig unerreichbar geworden.

 Während des ersten Weltkrieges arbeiteten Frauen in Bereichen, die als typische Männerarbeitsplätze galten. Hier eine Aufnahme aus einem Duisburger Walzwerk.

Während des ersten Weltkrieges arbeiteten Frauen in Bereichen, die als typische Männerarbeitsplätze galten. Hier eine Aufnahme aus einem Duisburger Walzwerk.

Foto: Stadtarchiv

Von 1871 bis 1905 vervierfachte sich in unserer Stadt fast die Einwohnerzahl von 30 533 auf 110 317. Dahinter stand eine Geburtenrate, wie sie danach nie wieder erreicht wurde: Während eine Frau in der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts auf mehr als 4,2 Kinder bekam, sind es heute lediglich noch statistisch gesehen 1,4 Kinder. Für den hohen Bevölkerungszuwachs waren vor allem die steigende Produktivität in der Landwirtschaft, aber auch der medizinische Fortschritt verantwortlich. Im Ergebnis war Duisburg eine ausgesprochen junge Stadt. Im Jahr 1910 waren rund 60 Prozent der Bevölkerung jünger als 30 Jahre - heute sind es nur noch 30 Prozent.

In Verbindung mit der Eisenbahn war hier ein wichtiger Logistikknotenpunkt im Reich entstanden. Neben Handel, Spedition und Schifffahrt dominierte die Industrie als Beschäftigungsmotor mit Eisenhütten, der Kupferhütte, einer Brücken- und Wagenbauanstalt, Eisengießereien und Maschinenfabriken, Schiffswerften, chemischen Fabriken und mit einer Fabrik für elektrische Anlagen. Vor gut 100 Jahren nahm zum Beispiel das Hütten- und Walzwerk Schulz-Knaudt in Huckingen seinen Betrieb auf, heute bekannt als HKM. Arbeitsplätze gab es aber auch in völlig neuen Unternehmungen und Handelszweigen: Chemische Waschanstalten, Baumwoll-, Seidengaze- und Teppichwebereien, Fahrradhandlungen, Kinematographen, Photographen, Kolonialwarenhandlungen und Möbelhandel belegten den steigenden Konsumbedarf der Duisburger.

Der Handel wurde unterstützt durch beispielsweise eine Reichsbankstelle (Umsatz 1902: 1360 Millionen Mark) oder auch die Duisburg-Ruhrorter Bank. Prächtige Geschäftsstraßen und Repräsentationsbauten machten die Innenstadt zu einem Zentrum des Einkaufens und des Vergnügens sowie der Verwaltung. Die Stadtverwaltung Duisburg als Arbeitgeber gewann an Bedeutung: Elektrizitätswerk, Straßenbahnbetrieb, Gas- und Wasseranstalt und das Stadtbad schafften neue Arbeitsplätze. Die Versorgung Duisburgs mit Gas, Wasser und Strom führte zum Ausbau der städtischen Infrastruktur.

Soziale Konflikte zwischen Arbeitern und Unternehmern blieben in den Jahren vor dem Krieg nicht aus. Hinzu kamen mangelhafte Arbeitsschutzbedingungen. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad konzentrierte sich auf Industriearbeiter, die durch konjunkturelle Schwankungen massiver von Arbeitslosigkeit betroffen waren als andere Branchen. Trotz der Unterstützungsleistungen der Gewerkschaften war die Arbeitslosigkeit gering. Arbeitslose im Kaiserreich waren auf die Fürsorge oder Spenden angewiesen. Es gab noch keine Arbeitslosenversicherung.

Der sprunghafte Anstieg der Arbeitslosigkeit im Jahr 1914 war ein rein kriegsbedingter Effekt. Zu Beginn des 1. Weltkriegs kam die Produktion in vielen Duisburger Betrieben vollständig zum Erliegen. Aufgrund der fehlenden männlichen Arbeitskräfte wurden zum Beispiel im Rheinhausener Hüttenwerk 1916 exakt 825 Frauen beschäftigt, diese Zahl stieg auf 1919 an, um nach Kriegsende auf 199 zurückzugehen. Während des Krieges arbeiteten Frauen in Bereichen, die als typische Männerarbeitsplätze galten. Frauen arbeiteten nicht nur in der Industrie, auch bei der Post, der Eisenbahn oder städtischen Straßenbahn, deren Fahrer-und Schaffnerpersonal 1917 fast ausschließlich von Frauen gestellt wurde.

Der Anstieg der Arbeitslosigkeit im Jahr 1914 erklärt sich weiterhin aufgrund der Umstellungen auf die Kriegsproduktion, durch die ein Teil der Arbeitskräfte entlassen wurde, während auf der anderen Seite Arbeitskräftemangel herrschte, weil die Arbeitsplätze der Eingezogenen nicht besetzt werden konnten. Der Ausfall der männlichen Arbeitskräfte musste auch in den Handwerksbetrieben aufgefangen werden. Das Bild vom "Mann im Betrieb" und der "Frau hinter dem Herd", war schnell überholt. Das neue Motto: die "Frau im Betrieb" und "der Mann im Feld". In der Regel übernahmen die Ehefrauen die Leitung des Handwerksbetriebes, mitunter wurde sogar die Elterngeneration aus dem Ruhestand reaktiviert. Später wurden Kriegsgefangene und ausländische Zivilarbeiter an die leeren Plätze in den kriegswichtigen Industriebetrieben Duisburgs gestellt. Die Lösung der sozialen Frage und der Traum von der Vollbeschäftigung war unerreichbar geworden.

(RP)
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