Duisburg Die "rote Mafia" nach dem Umbruch

Duisburg · Akzente: Der Bestsellerautor Ilija Trojanow las aus seinem Roman "Macht und Widerstand".

"Umbrüche" wie das Motto der laufenden 38. Duisburger Akzente vollziehen sich manchmal nur an der Oberfläche. Das zeigte auch die jüngste Akzente-Lesung in der Zentralbibliothek. Der Bestsellerautor Ilija Trojanow las aus seinem jüngsten, vor zwei Jahren erschienenen Roman "Macht und Widerstand".

Trojanow wurde 1965 in der bulgarischen Hauptstadt Sofia geboren. Seine Familie floh 1971 über Jugoslawien und Italien nach Deutschland, wo sie politisches Asyl erhielt. Schon ein Jahr später wanderte die Familie nach Kenia aus. Von 1984 bis 1989 studierte Trojanow Rechtswissenschaften und Ethnologie in München. Danach lebte er in Bombay und Kapstadt. Heute wohnt er in Wien.

In "Macht und Widerstand" versucht er, die nach dem Umbruch andauernde Spaltung der bulgarischen Gesellschaft darzustellen. Wie in vielen Ländern des ehemaligen Ostblocks, sei aus der Elite der kommunistischen Diktatur namens "Nomenklatura" bruchlos die Elite des kapitalistischen Systems namens "Oligarchie" (im Volksmund "die rote Mafia") geworden.

Aus Interviews entwickelte der Autor zwei exemplarische Figuren. Konstantin ist idealistischer Widerstandskämpfer, einer der schon in der Schulzeit der bulgarischen Staatssicherheit auffällt, und dieser auch dann nicht mehr entkommt, als es diese offiziell gar nicht mehr gibt. Metodi ist Offizier, Opportunist und Karrierist, ein Repräsentant des Apparats und ein vulgärer Genussmensch.

Trojanow breitet seine These im Buch mit glänzender Sprache und lebensnahen Figuren aus. Herrlich etwa die alten politischen Witze über Todor Schiwkow, Bulgariens Staats- und Parteichef von 1954 bis 1989, der gesagt haben soll "Heute eröffnen wir eine Fabrik nur für Halbleiter, bald werden es ganze Leiter sein" oder "Heute ist ein Fünftel der Welt sozialistisch, bald wird es ein Zehntel sein". Bei der Duisburger Lesung untermauerte der Autor seine Sichtweise mit Fakten, so gebe es in Bulgarien ein Gesetz, das es unter Strafe stelle, die Namen von ehemaligen hauptamtlichen oder informellen Mitarbeitern der Staatssicherheit zu nennen. Die mangelnde Aufarbeitung der Vergangenheit in Osteuropa, so Trojanow, habe die wachsende Verbreitung des Rechtspopulismus dort möglich gemacht. Das Akzente-Literaturprogramm der Stadtbibliothek geht weiter am heutigen Mittwoch, 22. März, um 20 Uhr, mit Andreas Altmann und seiner "Gebrauchsanweisung für das Leben". Karten kosten im Vorverkauf (in der Zentralbibliothek im Stadtfenster, Steinsche Gasse 26) vier, an der Abendkasse fünf Euro.

(hod)
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