Serie "Duisburger Geschichte und Geschichten" Die Sternwarte auf der Salvatorkirche

Duisburg · Pieter van Musschenbroek (1692 - 1761) lehrte vier Jahre lang Naturphilosophie, Mathematik und Medizin an der Alten Universität Duisburg. Er war ein Wissenschaftspionier, veranstaltete aber auch Physikshows mit elektrischen Frauenlippen.

Der hoch aufragende Turm der Salvatorkirche übte schon immer eine besondere Anziehungskraft auf die Wissenschaft aus. Im Mai 1720 richtete Professor Pieter van Musschenbroek eine Sternwarte auf dem flachen Turm ein. Von hier aus spähte er mit seinen Studenten mit einem Teleskop in den Sternenhimmel.

Wer war Pieter van Musschenbroek? Er entstammte einer niederländischen Instrumentenbauerfamilie, studierte Medizin an der Universität Leiden und promovierte 1714. Nach einem Englandaufenthalt, wo ihn besonders die Vorlesungen Isaac Newtons beeindruckten, arbeitete er als Arzt in Leiden. Mit 27 Jahren, hoch motiviert und höchst qualifiziert, erreichte ihn der Ruf, eine Professur an der Universität Duisburg anzunehmen. Eine glänzende Startposition für die weitere Karriere.

Pieter van Musschenbroek lehrte von 1719 bis 1723 Naturphilosophie, Mathematik und Medizin. In dieser Zeit stand er in engem Kontakt mit Daniel Gabriel Fahrenheit. Neben der Astronomie widmete er sich der Untersuchung mechanischer, pneumatischer, magnetischer und elektrischer Phänomene. Seine Lehre fand zudem eine hervorragende Resonanz. Allerdings spiegelte sich dies nicht in der Vergütung wider. In der Besoldungsgruppe der Professoren an der Duisburger Universität lagen die Theologen mit durchschnittlich 375 Reichstalern vorn, gefolgt von den Juristen mit 300 Reichstalern.

"Juniorprofessor" Musschenbroek erhielt nur 250 Reichstaler, recherchierte Friedrich Albert Meyer. Hinzu kam die bescheidene Ausstattung mit physikalischen Messinstrumenten. Ob Sternwarte oder Forschungen zur Elektrizität - nur mit hochwertigen Messinstrumenten konnte der junge Professor seine physikalischen Experimente durchführen. Die Universität Utrecht lockte Musschenbroek mit "Mitteln zur Einrichtung eines physikalischen Laboratoriums" und höherem Gehalt. Duisburg ließ ihn ungern gehen, aber das höhere Anfangsgehalt von 1000 Gulden und die Rahmenbedingungen reizten ihn. Sein internationales wissenschaftliches Ansehen wuchs. Später folgte ein weiterer Karrieresprung zur Universität Leiden. Seine Einführung in die Physik, "Introductio ad philosophiam naturalem", erschien zuerst 1762 in Leiden. Musschenbroek erfand eine Reihe naturwissenschaftlicher Messinstrumente, zum Beispiel ein Tribometer zur Messung von Reibung und Verschleiß, ein Atmometer (Verdunstungsmesser) und ein Pyrometer zur berührungslosen Temperaturmessung.

Berühmt wurde Musschenbroek durch seine Forschungen im Bereich der Elektrizität. Das Phänomen der Elektrizität war das Megathema der Physik in der Aufklärung. Im Jahre 1745 führten seine Experimente ihn unabhängig von dem deutschen Physiker E. G. von Kleist zu der Erfindung der "Leidener Flasche". Das flaschenähnliche Bauelement speicherte elektrische Ladung und die damit zusammenhängende Energie - der Fachbegriff lautet Hochspannungskondensator. Bei der Entladung der "Leidener Flasche" gab es einen Funken, einen Knall und einen gewaltigen Schlag. Musschenbroek und sein Assistent waren erst entsetzt und dann überrascht. Die Nachricht vom elektrischen Schlag verbreitete sich 1746 rasch und wurde eine Sensation. Nicht nur Experten, auch die Öffentlichkeit war fasziniert.

Dem interessierten Publikum wurde von einer bunten Vielfalt an Akteuren die "Elektrizität" mit spektakulären Vorführungen nahegebracht. Eine kuriose Demonstration war die energetische Auf- und Entladung der "Venus electrificata", einer attraktiven Frau. Sie endete für den (meist nichts ahnenden) männlichen Partner mit einem elektrischen Funkenschlag bei Berührung der Lippen der weiblichen Assistentin. Eine frühe Form der heutigen Physik-Shows.

Musschenbroek gehörte inzwischen zur Riege der herausragenden Wissenschaftler, die der Physik und der Elektrizitätslehre in Zeiten der Aufklärung endlich den gebührenden Platz verschafft hatten. Er war Mitglied der Royal Society in London, korrespondierendes Mitglied der Pariser Akademie der Wissenschaften und Ehrenmitglied der St. Petersburger Akademie der Wissenschaften (1754). Seine Spuren sind heute in Duisburg allerdings verblasst. Als Musschenbroek 1761 in Leiden verstarb, hinterließ er eine physikalische Instrumentensammlung von 737 Gerätschaften, die nach seinem Tod versteigert wurden. Die Salvatorkirche mit dem verloren gegangenen "oberservatorium astronomicum" und die Sternwarte auf dem MD Gebäude der Uni wären doch spannende Erinnerungsorte für einen Wissenschaftspionier, der vier Jahre lang in Duisburg gelehrt hat.

Quellen: Duisburger Forschungen, Band 5 (F.A. Meyer).

Duisburger Forschungen, Band 53, Geschichte der Universität Duisburg.

(RP)
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