RP-Serie Duisburger Geschichte Und Geschichten Dienstmädchen - immer zu Diensten

Duisburg · Der Wirtschaftsaufschwung vor dem Ersten Weltkrieg schuf eine Nachfrage nach Dienstmädchen. Danach suchten viele ihr Glück in den Niederlanden. Haushaltsnahe Dienstleistungen sind heute wieder auf dem Vormarsch.

 Dienstmädchen sollten fleißig, sauber, proper, sittsam und diszipliniert sein, wie diese Fotografie der Nähschule der GHH in Oberhausen aus dem Jahr 1912 nahelegt.

Dienstmädchen sollten fleißig, sauber, proper, sittsam und diszipliniert sein, wie diese Fotografie der Nähschule der GHH in Oberhausen aus dem Jahr 1912 nahelegt.

Foto: Industriemuseum LVR

Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich in Duisburg mit seiner blühenden Industrie ein aufstrebendes Bürgertum. Damit verbunden entstand eine hohe Nachfrage nach Dienstmädchen. Die Arbeitsnachweisstellen hatten bei der Vermittlung alle Hände voll zu tun. Junge Frauen wurden sogar in den Niederlanden rekrutiert. Um 1900 erlebte Duisburg eine starke Zuwanderung durch niederländische Arbeitskräfte "over de grens".

Zwischen 1898 und 1904 entstanden in Duisburg und Ruhrort vier niederländische Gemeinden, die sich um die Arbeitsmigranten kümmerten. In Homberg gab es damals sogar eine von der niederländischen Regierung unterstützte Arbeitsvermittlungsstelle - eine Art deutsch-niederländisches Arbeitsamt, das auch Dienstmädchen vermittelte. In den 1920er Jahren setzte eine gegenläufige Entwicklung ein. Jetzt ergriffen die Duisburger Mädchen die Chance, die sich ihnen durch den besseren Arbeitsmarkt in den Niederlanden bot. Es zog sie nach dem Ersten Weltkrieg ins "Guldenparadies". Den Höhepunkt erreichte diese Wanderungsbewegung um 1923, als die Inflation in Deutschland dramatisch anstieg. In mehreren Wellen zog es jetzt die deutschen Frauen in die Niederlande. Erst die Weltwirtschaftskrise 1929 und die NS-Zeit stoppten diesen Trend.

Bis 1919 waren Dienstmädchen in Preußen aufgrund der Gesindeordnung von 1844 verpflichtet, Gesindedienstbücher zu führen. Sie enthielten neben Arbeitstugenden vor allem die vom Dienstherrn ausgefüllte Rubrik über den Grund des Dienstaustritts. Die Einträge musste die zuständige Polizeibehörde beglaubigen. Das Gesindebuch war somit ein Führungszeugnis, das bei jeder Neuanstellung vorgelegt werden musste. Dienstmädchen sollten fleißig, proper, sittsam und bescheiden sein. Diese "Qualifikationen" waren die meistgefragten in Stellungsanzeigen dieser Zeit, wenn junge Frauen gesucht wurden. Diese Bewertungen eines guten Dienstmädchens fanden sich dann meist auch im "Gesindedienstbuch" wieder. Nur mit positiven Aussagen des Dienstherrn bestand die Chance auf eine Anschlussbeschäftigung.

Wandte sich ein Dienstmädchen jedoch an die Polizeibehörden, um mit dem Verweis auf die schlechte Behandlung durch die Herrschaft gegen ein schlechtes Zeugnis Einspruch zu erheben, war die Aussicht auf Erfolg ausgesprochen gering. Die rechtliche Stellung der Dienstmädchen war schwach. Selbst schwere Missstände wie unzureichende Kost, eine unbeheizte, von Ungeziefer verseuchte Kammer oder auch sexuelle Übergriffe durch den Hausherrn oder dessen Söhne wurden nur selten verfolgt. Das Dienstmädchen schwieg. Häufig aus Angst, auch vor einem negativen Eintrag ins "Gesindebuch", das bei Stellungswechseln der Polizei gezeigt werden musste. Die Arbeitsbedingungen der Dienstmädchen waren häufig problematisch: Sie mussten oft 24 Stunden am Tag für ihre Arbeitgeber parat sein. Für alles. Kochen, Wäschepflege, Näharbeit, Kinder, Hausputz, Botengänge. Die Arbeitszeit war nicht geregelt und die Freizeit beschränkte sich häufig auf jeden zweiten Sonntagnachmittag.

Diese Arbeitsbedingungen gehören einer vergangenen Epoche an, von der uns vielleicht noch unsere Großeltern erzählen konnten, aber unsere Eltern schon nicht mehr. Ein neues Buch von Christoph Bartmann behauptet das Gegenteil: Die Dienstmädchen kehren in neuer Gestalt zurück. Bartmann erklärt, wie die Mittelschicht zur Bewältigung des Alltags wieder auf ein ganzes Heer oft schlecht bezahlter Servicekräfte zurückgreift, insbesondere im Haushalt.

Unterstützt werden sie dabei von digitalen Plattformen, die diese neue "Dienerschaft" vermitteln. Online-Dienste ersetzen zunehmend Arbeitsnachweisstellen und Stellenanzeigen. Liefer-und Botengänge erledigen Pizza- und Paketdienste. Servicekräfte im Haushalt sind gefragt. Aktuell wie vor 100 Jahren bleibt das Thema Arbeitsbedingungen in der Servicegesellschaft. Arbeiten heute die Servicekräfte in "prekären Beschäftigungsverhältnissen" oder eröffnet sich hier ein neuer Wachstumsmarkt für haushaltsnahe Dienstleistungen?

(RP)
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