Duisburg Gemeinde St. Barbara verwaltet sich selbst

Duisburg · Die Duisburger Kirchengemeinde muss aus eigener Kraft funktionieren und überleben. Gemeindemitglieder haben dazu ein Fünf-Säulen-Modell entwickelt, das vom Bistum Essen getragen wird. Bis dahin war es ein langer Weg.

 Stabwechsel in St. Barbara: Pastor Thomas Pulger geht im kommenden Jahr, Angelika Hoffmann vom Förderverein "Rettet St. Barbara" will die Duisburger Gemeinde mit Hilfe der Mitglieder selbst verwalten.

Stabwechsel in St. Barbara: Pastor Thomas Pulger geht im kommenden Jahr, Angelika Hoffmann vom Förderverein "Rettet St. Barbara" will die Duisburger Gemeinde mit Hilfe der Mitglieder selbst verwalten.

Foto: Christoph Reichwein

Eine Kirchengemeinde ohne Priester - wie soll das funktionieren? Die Mitglieder der Gemeinde St. Barbara in Duisburg-Röttgersbach wissen auf diese Frage eine Antwort - mit viel Engagement, Teamgeist und Ideenreichtum. Denn ab morgen steht St. Barbara offiziell auf eigenen Füßen, wird von den Menschen verwaltet und mit geistlichem Leben gefüllt, die dafür bisher auf die Kirche vertrauten. An diesem Stichtag fusionieren die Duisburger Kirchengemeinden St. Johann und St. Norbert zur Großpfarrei St. Johann, zu der kirchenrechtlich auch die dann eigenständige Gemeinde St. Barbara gehört. Nur haben dort Ehrenamtler das Zepter übernommen. "Es wird jetzt zwar ernst", sagt Angelika Hoffmann, Vorsitzende des Fördervereins "Rettet St. Barbara", "aber wir bleiben da sehr gelassen."

Denn zum einen ringt der Verein schon jahrelang um den Fortbestand von St. Barbara, zum anderen weiß er die Menschen dort hinter sich. Rund 2800 Mitglieder zählt die kleine Gemeinde im Duisburger Norden, von denen etwa 300 regelmäßig die Gottesdienste besuchen und sich auch sonst aktiv einbringen. "Damit liegen wir weit über dem Durchschnitt", sagt Christian Brans-Schreckeneder, Mitglied des Vereinsvorstands. Die Spendenbereitschaft sei ebenso hoch wie der Zusammenhalt. "Ohne das Votum der Gemeinde hätten wir das nicht gemacht", sagt Schreckeneder.

Diesen Rückhalt, diesen Selbsterhaltungswillen muss man vor Augen haben, wenn man die Geschichte von St. Barbara betrachtet. Denn eigentlich sollte es die Gemeinde mit dem morgigen Tag nicht mehr geben, sollte sie im Zuge des Fusionsprozesses - sperrig Zupfarrung genannt - aufgehen in St. Johann. Die Kirche: geschlossen. So hatte es das Bistum Essen vorgesehen. Doch als der Plan bekannt wurde, im Oktober 2011, formierte sich Widerstand. Eine Protestwelle erfasste die Gemeinde, es gab Menschenketten. "Dann hatten wir die Idee, nicht nur mit Transparenten herumzulaufen", sagt Hoffmann. Mit der Nachricht "Katholiken besetzen Kirche" machte St. Barbara bundesweit Schlagzeilen. Erst verhärteten sich die Fronten zwischen Bistum und Gemeinde, später näherten sich die Parteien wieder an. Auf der einen Seite gründete sich der Förderverein und demonstrierte Durchhaltewillen. Auf der anderen Seite entwickelte das Bistum ein neues Leitbild - ausgehend von den Faktoren, dass es immer weniger Priester geben wird, immer weniger Katholiken und immer weniger Geld. "Das bedeutet, dass dem Ehrenamt eine neue Bedeutung zuwächst und wir neue Modelle ausprobieren müssen", sagt Ulrich Lota, Sprecher des Bistums Essen. Plötzlich war die Bereitschaft da, neue Konzepte auszuprobieren - zum Beispiel das Fünf-Säulen-Modell von St. Barbara.

"Für uns stellten sich viele Fragen: Was macht die Gemeinde aus? Was will ich leisten? Wie viele Leute kann ich motivieren? Wo kommt das Geld her?", erklärt Hoffmann den Findungsprozess. Ausgehend vom Beispiel der französischen Gemeinde Poitiers wurde ein Modell entwickelt, das auf fünf Säulen ruht: Liturgie (die Gottesdienste), Diakonia (Nächstenliebe, soziale Aktivitäten), Martyria (Verkündigung, Angebote für Kinder, Jugendliche, Frauen etc.), Koinonia (Feste und Veranstaltungen) und Oikonomia (wirtschaftliche Sicherstellung). Rund 60 Menschen füllen die Säulen mit Leben, jede Säule hat einen Sprecher, am runden Tisch wird gemeinsam diskutiert. Zwei Probleme stehen im Mittelpunkt: Wie lässt sich der Priester ersetzen, und wo kommt das Geld her? Denn eine Bedingung ist: Das Bistum gibt keinen Cent. "Bei der Finanzierung sind wir optimistisch", sagt Christian Brans-Schreckeneder. Rund 22 000 Euro Betriebskosten würden benötigt, davon könnten schon rund 20 Prozent durch die Vermietung des Gemeindesaals erwirtschaftet werden. Der Rest muss auch durch Mitgliedsbeiträge und Spenden hereinkommen. Für Gottesdienste, Eucharistie-Feiern und Taufen werden Patres von St. Johann angefordert. Sie müssen auch seelsorgerische Arbeit übernehmen. Wortgottesdienste, Kreuzweg- oder Maiandachten fallen den Ehrenamtlern zu. "Sie gestalten bereits jetzt die Gottesdienste lebendig mit", sagt Pastor Thomas Pulger, der das Fünf-Säulen-Modell mitentwickelte. Demnächst würden auch Gottesdienstkurse für Ehrenamtler angeboten.

Seit sieben Jahren ist Pastor Pulger in St. Barbara, bis Juli 2016 wird er wohl bleiben. Auch, um die Menschen an die neuen Aufgaben heranzuführen. Arbeitsreich sei die Verwaltung einer Gemeinde, sagt er, aber er sei zuversichtlich. "Es kommen ständig Ideen aus den eigenen Reihen und neue Menschen, die sich engagieren wollen." Auch im Bistum Essen ist man von der Tragfähigkeit des Konzeptes überzeugt. Drei Jahre will man das Pilotprojekt begleiten. Lota: "Danach muss man sehen, ob es funktioniert hat. Und ob es genug Menschen gibt, um das Projekt weiterzuführen."

Für Angelika Hoffmann steht der Erfolg außer Frage. "Die Selbstverwaltung ist ein Modell für die Zukunft", sagt die Vorsitzende des Fördervereins "Rettet St. Barbara". "Ohne bürgerschaftliches Engagement geht es nicht mehr."

(RP)
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