Moschee im Stadtteil Marxloh Duisburger Türken feiern Erdogan

Duisburg-Marxloh · Die Moschee in Duisburg-Marxloh ist die größte bundesweit. Viele Verehrer des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan beten dort.

Duisburg-Marxloh: Türken feiern Erdogan
Foto: RP

Die Moschee hat Lütfi Günay im Rücken. Deswegen kann er auch nicht sehen, was da ein paar Meter über seinem Kopf weht. Vier Flaggen hängen dort oben, akkurat aufgereiht. Ein sanfter Wind bringt die türkische, die europäische und die Ditib-Flagge in Schwung. Nur die deutsche umklammert ihren Mast, als sei sie etwas gehemmt.

Lütfi Günay sieht das dunkle Blau mit den zwölf goldenen Sternen der Europäischen Union am Fahnenmast also nicht. Und die kleine Plakette neben der Eingangstür der Merkez-Moschee in Duisburg-Marxloh entgeht ihm auch. "Gebaut mit Fördermitteln der EU" steht darauf. In dieses Bild hinein sagt Günay, der 50 Jahre alte türkische Staatsangehörige, der in Deutschland geboren wurde: "Was sollen wir Türken in der EU? Wir brauchen sie nicht."

Gleich beginnt das Freitagsgebet in der größten Moschee Deutschlands. Aus der ganzen Region — ein Reisebus kommt sogar aus Hessen — strömen Muslime nach Marxloh, um zu beten. Dort, im Norden Duisburgs, leben rund 19.800 Menschen, etwa 64 Prozent von ihnen haben einen Migrationshintergrund — die meisten einen türkischen. Was also denken die Menschen hier, an einem Ort, der bei der Eröffnung 2008 als "Wunder von Marxloh" gefeiert wurde, von der Entwicklung in der Türkei? Vom Putsch und von Massenentlassungen im Staatsdienst, von Ausweisungen und der Todesstrafe?

Die Moschee in Marxloh gehört zum Ditib-Verband, der dem Präsidium für Religiöse Angelegenheiten in der Türkei zugeordnet ist. Experten vermuten auch eine finanzielle Verbindung zwischen der türkischen Regierung und Ditib. Der Moscheeverband bestreitet das. 7,5 Millionen Euro hat die Moschee gekostet, die Kuppel ist 23 Meter hoch, und das Minarett misst 34 Meter. Das Gelände ist eine Stunde vor dem wichtigsten Gebet der islamischen Woche belebt.

Als die Reporter, die sich telefonisch angekündigt haben, die Moschee betreten, werden sie vom Vorsitzenden der Gemeinde, Necati Mert, hinausgeworfen. Er droht mit "Konsequenzen", sollte dieser Text erscheinen. Man habe mit der Türkei nichts zu tun. Niemand werde sich äußern.

Auf dem öffentlichen Bürgersteig vor der Moschee äußern sich die Menschen aber doch. Ramazan etwa bleibt stehen und antwortet gerne. "Erdogan ist ein Held", sagt der 31-Jährige. "Was er nach dem Putschversuch für das türkische Volk getan hat, ist großartig." Weil er deutscher Staatsbürger sei, könne er Erdogan und seine AK-Partei nicht wählen. Er würde es aber tun. Ramazan will nach Istanbul fliegen, zu seiner Familie. Angst hat er keine, sagt er, und: "Ich freue mich auf die Türkei." Sollte die dortige Regierung die Todesstrafe einführen, hätte Ramazan nichts dagegen. Er fände es aber auch okay, sagt er, wenn die Putschisten in so kleine Kammern gesperrt würden, dass sie sich selbst vor Beklemmung mit dem Bettlaken erhängten.

Sorge vor einer Eskalation der Gewalt auch in NRW

Die Todesstrafe. Der ältere Bruder von Lütfi Günay sagt: "Ich bin auch dafür. Die Gefahr ist nur, dass dann Unschuldige sterben." Aber das wäre dann so. Zum "Schutz der Demokratie" sollten die "Putschisten aufgehängt werden", sagt er. Er sei immer ein Befürworter der EU gewesen, aber jetzt, da man der Türkei mit dem Ende der Beitrittsverhandlungen drohe, sei das vorbei. Er hätte sich Unterstützung aus Brüssel gewünscht. Im Vorbeigehen ruft ein älterer Mann: "Menschenrechte nur für Regierungsanhänger."

Sind das Anzeichen eines gelungenen Duisburger Integrationsprozesses, wie der frühere CDU-Oberbürgermeister Adolf Sauerland 2008 zur Eröffnung der Moschee sagte?

Ibrahim Yetim, SPD-Landtagsabgeordneter für Moers und Neukirchen-Vluyn, sagt im Gespräch mit der Redaktion: "Wir müssen uns fragen, was wir in den vergangenen Jahren in der Integration falsch gemacht haben." Er sei verwundert, dass Ditib die Chance nicht nutze, zur Deeskalation beizutragen. Ganz aktuell sorge er sich davor, dass auch in Nordrhein-Westfalen die Gewalt zwischen Erdogan-Befürwortern und Erdogan-Gegnern eskalieren könne. "Ich befürchte wirklich Schlimmes", sagt Yetim. "Hier gibt es die gleichen Bevölkerungsgruppen wie in der Türkei, und bei der Menge an Menschen dürfte es sehr schwer sein, das unter Kontrolle zu bekommen."

In der Türkei hat Erdogan Rückhalt. Hasnain Kazim, Korrespondent des "Spiegel", der das Land verlassen musste, sagt: "Ein großer Anteil der Bevölkerung findet es gut, was Erdogan macht." Zumindest für den Teil der Duisburger Bevölkerung mit türkischen Wurzeln, den man in Marxloh trifft, gilt das auch. Viele finden es furchtbar, dass die Armee auf das eigene Volk geschossen hätte. Sie sehen in Erdogan den Schutzpatron der Demokratie.

So wie auch Kadir Basaran. Der 46-Jährige hat AKP gewählt und sagt: "Das Volk hat sich auf der Straße gegen die Panzer gestellt." Und wer Panzer gegen das eigene Volk richte, der gehöre bestraft. "Die Todesstrafe wird oft falsch verstanden, aber sie kann gerecht sein", sagt Basaran. Sie diene der Abschreckung, findet der Türke, der in Deutschland geboren wurde. Um die demokratischen Strukturen in seinem Heimatland sorgt er sich nicht: "Man muss nur die Bedingungen verschärfen."

(RP)
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