Demokratiegeschichte Duisburger Verein erinnert an Märzrevolution 1848

Duisburg · Der Sprecher der Vereinigung "Gegen Vergessen - Für Demokratie" über eine Veranstaltungsreihe zur "Märzrevolution" von 1848, die aber nur eine Vorläuferin zu den Gedenkfeiern im kommenden Jahr sein soll.

Die Duisburger Abteilung der Vereinigung Gegen Vergessen- Für Demokratie e.V. widmet - zusammen mit andern Einrichtungen - der "Märzrevolution" von 1848 eine kleine Themenreihe. Der Anlass, der 170. Jahrestag, passt nicht so ganz zu den üblichen Jahresanlässen, die hierzulande meist im 25-Jahre-Rhythmus die Runde machen. Weshalb wollten Sie nicht noch fünf Jahre warten?

Braun Die eigentlichen Jubiläen folgen im nächsten Jahr: Die drei deutschen Verfassungen, die Frankfurter, die Weimarer und die Bonner, das Grundgesetz, feiern dann runde Geburtstage, nämlich jeweils ihren 170., den 100. und den 70. Und zum 30. Male jährt sich der Fall der "Mauer". Die Demokratiegeschichte Deutschlands findet sich dann in einem Jahr. Dieses Jahr wird der fast in Vergessenheit geratene Vorlauf in den Mittelpunkt gestellt. Wie wir an den Daten sehen, geschieht in der Geschichte nichts im Schweinsgalopp.

Politisch scheinen die Märzrevolution und die Weimarer Republik zwei gescheiterte Modelle zu sein...

Braun Nur weil mehrere Anläufe zur Durchsetzung eines Anliegens erforderlich sind, sind die jeweils vorhergehenden nicht bedeutungslos. Man muss sich die Details näher ansehen. Was wurde erreicht, was nicht? Politik ist bekanntermaßen das Bohren dicker Bretter - und zwar über Generationen hinweg. Wie schrieb der berühmte 48er Karl Marx doch sinngemäß: Die jeweiligen Nachkommen stünden auf den Schultern ihrer Vorfahren und würden belastet von dem Erbe ihrer Eltern. Unter der Bürde der neueren Geschichte sehen wir gerne nur den zweiten Teil.

Allerdings überschreiben Sie die Duisburger Veranstaltungsreihe mit dem positiven Titel "Die freie Republik". Weshalb?

Braun Vorweg gesagt, es geht uns nicht um Tagespolitik. Wir führen historisch-politische Bildungsveranstaltungen durch - und es handelt sich um eine Zeile aus einem auch heute noch bekannten Lied.

Das Sie gewiss zitieren können...

Braun "In dem Kerker saßen/ zu Frankfurt an dem Main/ schon seit vielen Jahren/ sechs Studenten ein/ Die für die Freiheit fochten/ und für das Bürgerglück/ und für die Menschenrechte/ der freien Republik..." - Von Zeit zu Zeit sollte man sich vergegenwärtigen, wie gut es einem doch geht. Freier Bürger, genauer: freier Staatsbürger, in einem freiheitlichen Staat. Dies Glück muss man doch erst einmal haben.

Wir sitzen hier in der Redaktion einer Zeitung. Und da fällt mir zu 1848 natürlich zunächst die damals erhobene Forderung nach der Pressefreiheit ein. Was verbinden Sie mit 1848?

Braun Wenn Sie die Pressefreiheit in den Mittelpunkt stellen, dann möchte ich dies für die generalisierte Form tun. Die Freiheit der Rede und des Ausdrucks! Die Abschaffung der Zensur ist dabei bei uns Deutschen noch nicht so richtig angekommen. Eigentlich diskutieren wir im öffentlichen Raum nicht, ob zensiert werden soll, sondern wer 'zensurieren' darf. All die ehrenamtlichen Sprachpolizisten, die sich überall zum Richter aufschwingen! Anstatt den Unfug, den man so erleiden muss, zu zerpflücken, zu kritisieren oder zu verspotten - Zensurversuche. Selbst Döspaddel wie Björn Höcke werden so andauernd wider Willen mit der Aura des ehrlichen Haudegens geadelt.

Die Vereinigung, deren Duisburger Sprecher Sie sind, will etwas gegen das Vergessen tun. Den meisten geschichtsbewussten Menschen kommt da wohl in den Sinn, dass die Gräueltaten der Nazis oder andere Untaten aus dem Schwarzbuch der Geschichte nicht vergessen werden dürfen. Man kann natürlich auch die Lichtblicke der Geschichte vergessen. Wie sehen Sie das in Hinblick auf die Jahre 1848 und 1918?

Braun Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: Mir es vollkommen unverständlich, wie eine fast komplette politische und mediale Elite es schaffen konnte, ein Problembewusstsein aus den frühen 1970er Jahren zu kultivieren. Wie will man die Millionen Neueinwanderer aus diesen Jahrzehnten integrieren, also zu loyalen Deutschen einbürgern, wenn man ihnen zur deutschen Geschichte nur eine Botschaft vermittelt: Früher waren wir ganz schlimme Finger, aber wirtschaftlich sind wir heute top. Ende der 60er Jahre hatten wir einen Spitznamen für diese Haltung: Mallorca-Deutsche. Würdelos!

Worauf wollen Sie hinaus?

Braun Man hat immer eine Wahl. Und es gibt Situationen, in denen die falschen Entscheidungen fatale und schwerwiegendste Konsequenzen haben, wie 1933. Die damalige Mehrheitshaltung bei Klein und Groß, ein paar Jahre Diktatur werden schon nicht schaden, war mit einem verheerenden Preis verbunden - selbst für viele, wenn nicht die meisten Anhänger solcher Lösungen. Die Deutschen hatten eine Wahl - und die Alternativen wurden nicht genutzt! Dies geht dabei an alle Adressen. So etwas kann immer wieder geschehen, auch andernorts. Für uns Deutsche bedeutet es aber heute: Im Schatten der Shoa und der anderen Vernichtungsverbrechen der Nazis zu stehen, und zwar dauerhaft.

Und welche Lichtblicke sehen Sie in den Geschichtsdaten?

Braun Der Lichtblick von 1918 war eine respektable, wenn auch nicht optimale, Verfassung. Diese hätte nur mit mehr Ernsthaftigkeit umgesetzt und gepflegt werden müssen. Der Lichtblick von 1848 war: Den Weg in diese Richtung 70 Jahre zuvor eingeschlagen zu haben.

(pk)
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