Duisburg Zoo trauert um erschossenen Orang-Utan

Duisburg · Am Montagabend gegen 18.15 Uhr konnte im Duisburger Zoo ein Orang-Utan aus seinem Gehege ausbrechen. Nach einem Streit mit einem zweiten Affen geriet das Tier nach Angaben des Zoos in Panik und musste erschossen werden. Die Mitarbeiter stehen noch immer unter Schock.

Zoo Duisburg: Orang-Utan ausgebrochen und erschossen
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Ausbruch aus Duisburger Zoo: Orang-Utan erschossen

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"Wir sind sehr betrübt, haben in der Nacht kaum geschlafen, und es sind auch Tränen geflossen." So fasste Zoodirektor Achim Winkler am Dienstag die Gefühlslage zusammen, nachdem am Abend zuvor ein Orang-Utan-Männchen ausgebrochen war und erschossen werden musste.

"Menschliches Versagen" war laut Winkler der Grund, warum der 26 Jahre alte Nieas, der im Duisburger Zoo großgezogen wurde und dort sein ganzes Leben verbrachte, aus seinem Gehege ausreißen konnte. Ein laut Winkler "sehr erfahrener" Pfleger habe den Schieber der Gehegetür nicht gesichert. So konnte das Tier in den Pflegertrakt des Affenhauses gelangen. Was dann passierte, zeugt von der hohen Intelligenz der Orang-Utans: Nieas sah, dass sich hinter einer zweiten Tür ein weiteres Männchen mit seiner Familie befand. Aus eigener Kraft betätigte er den Schieber dieser Tür und öffnete sie. "Die können das. Das sind bedächtige Tiere, Tüftler. Sie sind Panzerknacker par excellence", so Winkler.

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Für Nieas waren diese für Menschen immer wieder erstaunlichen Eigenschaften allerdings fatal: Er stand plötzlich dem viel jüngeren und angriffslustigen Bayu, zwölf Jahre alt, gegenüber. "Wir waren ja nicht dabei. Aber die beiden müssen richtig aufeinander los gegangen sein", vermutet der Zoodirektor. So heftig, dass Nieas Reißaus nahm und durch ein geöffnetes Oberlicht verschwand. Panisch irrte er draußen herum, völlig verschreckt, weil er sich nicht mehr in seinem vertrauten Umfeld befand. So entdeckte ihn gegen 18.30 Uhr ein Zoo-Mitarbeiter und schlug sofort Alarm.

"Einfangen war keine Option. Viel zu gefährlich", sagt Winkler. Die rund ein Dutzend Pfleger und Tierärzte hätten ihn mit Pfeilen narkotisieren wollen. Aber dann drohte das Tier über einen Außenzaun zu klettern und das Zoogelände zu verlassen. "Da war Narkose keine Alternative mehr", so der Zoodirektor. "Es hätte zwei Pfeilen gebraucht. Und die Wirkung hätte erst in frühestens zehn Minuten eingesetzt. In dieser Zeit wäre er bereits auf der Straße gewesen, hätte einen Autounfall verursacht. Und wäre er einem Menschen begegnet — nicht auszumalen, was dann passiert wäre", so Winkler. "Ein mehr als 100 Kilogramm schwerer Orang-Utan ist sieben Mal so stark wie ein Mensch. Das hätte niemand überlebt." Der Einsatz einer scharfen Waffe sei alternativlos gewesen, "auch wenn uns das unheimlich traurig macht".

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Zoobesucher befanden sich zu der Zeit zwar noch auf dem weitläufigen Gelände, aber nicht in unmittelbarer Nähe des Affenhauses. "Zu keiner Zeit bestand Gefahr für sie", betont Winkler. Polizei und Feuerwehr, die hinzugerufen worden waren, um das Affenhaus zu sichern, mussten nicht eingreifen. Denn das zweite Männchen, Bayu, hatte den Pflegertrakt zum Glück nicht verlassen. Die Tierärzte konnten es betäuben und zurück in sein Gehege bringen. Die übrigen vier Orang-Utans, Weibchen sowie Junge, waren in ihren Gehegen geblieben.

Der Zoo will jetzt darüber nachdenken, wie die ohnehin schon mehrfach gesicherten Türen und Schleusen noch sicherer gemacht werden können. "Aber bei menschlichem Versagen kann man wenig machen. Es darf nicht passieren, Aber man kann es leider nie ganz ausschließen", so Winkler. Ob der Pfleger, der die Tür offen ließ, mit Konsequenzen rechnen muss, steht noch nicht fest. "Ihm geht es furchtbar. Er ist erst einmal gestraft genug", sagt Dr. Jochen Reiter, wissenschaftlicher Leiter des Zoos.

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Die Tierrechtsorganisation Peta Deutschland übt nach dem Vorfall in Duisburg scharfe Kritik an der Haltung von Menschenaffen in zoologischen Einrichtungen und fordert einen Paradigmenwechsel. "Orang-Utans, Gorillas und Schimpansen sind dem Menschen derart ähnlich, dass sie — renommierten Primatologen wie Professor Dr. Volker Sommer zufolge — die Ausweglosigkeit ihrer Situation in Gefangenschaft erkennen. Dabei können die intelligenten Tiere laut Sommer durchaus Zustände wie Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit erleben", schreibt sie und fordert ein Import- und Nachzuchtverbot für Menschenaffen in Gefangenschaft, um die Haltung mittelfristig auslaufen zu lassen.

Zoodirektor Winkler kontert diese Kritik. Nieas' Ausbruch habe absolut nichts damit zu tun gehabt, dass er habe flüchten wollen. Die Stimmung habe sich aufgeschaukelt, als die beiden Männchen sich plötzlich gegenüber gestanden hätten. Nicht ohne Grund lebten sie in getrennten Gehegen. Nieas sei dann aus Furcht vor Bayu geflohen. Draußen sei er noch mehr in Panik geraten, weil er sich dort nicht auskannte. "Seine Flucht hatte absolut nichts mit Verzweiflung zu tun, weil er in einem Zoo lebt."

(rp)
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