Duisburg Duisburger Konsens auf dem Prüfstand

Duisburg · Beim gestrigen Duisburger Rathausgespräch im Ratssaal ging es um das Thema Freiheit. Die Runde war sich dabei einig: Der im Rat verkündete "Konsens gegen Rechts" ist kontraproduktiv.

 Gut besucht war gestern Vormittag das sechste Duisburger Rathausgespräch, bei dem es unter Leitung von Randi Crott um das Thema Freiheit ging.

Gut besucht war gestern Vormittag das sechste Duisburger Rathausgespräch, bei dem es unter Leitung von Randi Crott um das Thema Freiheit ging.

Foto: peggy mendel

Bereits zum sechsten Mal fand am gestern das Duisburger Rathausgespräch im Ratssaal statt. Unter dem Motto "Vom Umgang miteinander: Wie frei sind wir wirklich?" diskutierten im Rahmen einer Podiumsdiskussion vier Vertreter aus Theologie und Philosophie ein Thema, das angesichts der NSA-Affäre und stets neuer Datenklauskandale aktueller, aber auch brisanter nicht sein könnte.

Bereits die Antworten der Diskutanten zur Definition des Begriffs "Freiheit" ließen dies erahnen. So verstehen der Dominikanerpater Frano Prcela und Dr. Asfa-Wossen Asserate, Autor der Bücher "Manieren" und "Deutsche Tugenden", Freiheit stets auch als Verantwortung für sich und seine Mitmenschen: "Was ich für mich an Freiheit in Anspruch nehme, das muss ich auch den anderen gewähren. Man kann in Europa nicht von Freiheit reden, wenn es in Afrika Kolonien gibt", so Asserate. Freiheit sei ein Privileg, das auch mit Rechten und Pflichten einhergehe.

Für die Philosophen Prof. Dr. Robert Pfaller und Dr. Michael Schmidt-Salomon zeigt sich Freiheit jedoch auch in der Möglichkeit, unvernünftig sein zu können: "Unvernunft ist ein Ausdruck von Freiheit. Wir sind nicht dort am glücklichsten, wo wir völlig selbstbestimmt sind, sondern dort, wo wir auch von außen stimuliert werden", so Schmidt-Salomon. Durch den Wunsch nach ständiger Selbstbestimmung seien die Menschen eben nicht freier, sondern begeben sich viel mehr in eine Art "Selbsverwirklichungsknechtschaft": "Man ist genau dann unfrei, wenn man unbedingt man selbst sein will, weil man ständig Angst hat, das Falsche gewollt zu haben", erklärt Schmidt-Salomon.

Auch der Österreicher Dr. Robert Pfaller, der auch Vorstandssprecher der Giordano-Bruno Stiftung ist, betont den wachsenden gesellschaftlichen Druck der Selbstbestimmung. "Freiheit bedeutet natürlich auch Selbstbestimmung, aber sie bedeutet vielmehr, seine Besonderheiten und Partikularitäten hinter sich zu lassen. Davon war bereits Kant überzeugt. Nur so können wir uns mit anderen solidarisieren". Gleichzeitig sei diese Entwicklung auch eine Frage der politischen Stimulation: "Wenn die Politik so agiert, dass die Menschen sich beschweren können und ihre Empfindlichkeiten sich dann in Verordnungen und Gesetzen wiederfinden, dann verstehen sie es zunehmend als Bürgertugend, ihre Ideen und Vorstellungen kundzutun und beleidigt zu sein", so Pfaller. Auch Schmidt-Salomon warnt vor einer "Nation der beleidigten Leberwürste".

Der in der in der letzten Woche durch den Rat verkündete sogenannte "Duisburger Konsens gegen Rechts" war ebenfalls ein heiß diskutiertes Thema. Dabei waren sich alle vier Diskutanten einig, dass die Idee der Ratsmitglieder, sich gegen die nun auch im Rat vertretenen rechtspopulistischen Parteien zu vereinigen, eher kontraproduktiv für die politische Freiheit zu werten sei: "Der Souverän, also das Duisburger Volk, hat gewählt und man darf sein Votum nicht einfach so wegwischen", so Asserate. Auch die beiden Philosophen Pfaller und Schmidt-Salomon halten eine Moralisierung politischer Institutionen für falsch: "Es wäre strategisch sinnvoller gewesen, diesen Leuten die Möglichkeit zu geben, sich auf dem politischen Parkett der Argumentation zu blamieren, anstatt sie in Schweigen zu hüllen", so Pfaller.

Nicht nur politisch, sondern auch ökonomisch können die persönlichen Freiheiten der Bürger eingeschränkt werden: "Die Verteilung von Armut und Reichtum ist unser größtes Problem", so Schmidt-Salomon. Dieses Problem zu lösen, da waren sich die vier einig, sei jedoch eindeutig Aufgabe des Staats.

Initiert werden die Gesprächsrunden im Duisburger Rathaus von privater Seite durch Prof. Dr. Wilhelm Sandmann, Mediziner am Fahrner Krankenhaus und Dr. Dierk Freytag, ehemaliger Direktor des Clauberg-Gymnasiums sowie seinem Bruder Holk Freytag, dem Indentanten der Bad Hersfelder Festspiele.

(RP)
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