Serie Duisburger Geschichte Und Geschichten Ein Duisburger zeigt Hansestolz

Duisburg · London 1533: Noch war die Hanse mächtig. Im Londoner Stalhof ließen sich die reichen Handelskaufleute von dem berühmten Maler Holbein porträtieren. Dazu gehörte auch der Duisburger Kaufmann Derick Tybis.

 Diese Kopie des Holbein-Gemäldes hängt heute im Kultur- und Stadthistorischen Museum.

Diese Kopie des Holbein-Gemäldes hängt heute im Kultur- und Stadthistorischen Museum.

Foto: christoph Reichwein

Als berühmter Maler des englischen Hofes, der adligen Oberschicht und der führenden Geistesgrößen zählte Holbein der Jüngere zu den bedeutendsten Porträtisten seiner Zeit. Er wurde Hofmaler des Königs von England, Heinrich VIII. Diese Bekanntheit wussten auch die wohlhabenden Kaufleute des Londoner Stalhofs für sich zu nutzen. Holbeins Bildnisse faszinierten durch ihre eindringliche physische und psychische Präsenz und eine geradezu kristalline Schärfe.

Derick Tybis gehörte zu den Hansekaufleuten, die es sich leisten konnten, in London von Hans Holbein dem Jüngeren porträtiert zu werden. Das Porträt des Duisburger Kaufmanns ist ein Spiegel für Reichtum, Standesbewusstsein und Macht. Ungewöhnlich ist die frontale, aber nicht starre Pose des 33-jährigen Kaufmanns: Sie verleiht ihm mit dem demonstrativ vorgewiesenen Text, der eine Anrufung an Jesu enthält, gleichsam bekennerhafte Züge. Beispiellos ist die ausdrückliche Versicherung Tybis, er selbst habe als Auftraggeber das Zeichen seiner Handelsmarke "myt myner eigener hant" auf das Papierstück gemalt. Das Bild hängt heute im kunsthistorischen Museum in Wien; eine Kopie im Kultur- und Stadthistorischen Museum in Duisburg.

Wer war Derick Tybis? Tybis entstammte einer angesehenen und vermögenden Duisburger Patrizierfamilie. In Rathausnähe standen die großen Patrizierhäuser; das Haus der Tybis-Familie auf der Oberstraße kann man mit Hilfe des Corputius-Plans und alter Urkundenabschriften heute noch identifizieren. Duisburg war Mitglied der Hanse, aber im Vergleich mit Köln oder Lübeck mit eher bescheidener Bedeutung. Derick Tybis sollte die Laufbahn eines Fernhändlers einschlagen. Schon die Ausbildung galt als anspruchsvoll: Ein Teil der kaufmännischen Lehre, die sechs Jahre dauert, musste im Ausland verbracht werden, schon "umme de sprake to leren".

Der Arm der Hanse reichte von London bis Nowgorod, von Köln bis nach Bergen in Norwegen. Hansekaufleute absolvierten häufig mehrere Auslandsstationen. Der Fernhandel bot attraktive Karrieremöglichkeiten in einer Gesellschaft, die weitgehend vom Ständesystem geprägt war und in der oft die Geburt darüber entschied, wer später mächtig und wer den Mächtigen ausgeliefert sein würde.

Derick Typis hatte es geschafft; der 33-jährige befand sich auf dem Höhepunkt seiner Karriere und residierte im Londoner Stalhof, einem der größten Handelstützpunkte der Hanse. Zur Kaufmannselite gehörte auch der Kölner Derick Berck, ein gebürtiger Duisburger, der sich ebenfalls von Holbein porträtieren ließ. Die Porträts spiegeln auch moralische Werte der Hansekaufleute wider und zeichnen sie als ehrenvolle Mitglieder ihrer Klasse aus. Ein wenig Hansestolz, Pioniergeist und unerschütterliches Selbstbewusstsein würde Duisburg auch heute guttun.

Der Stalhof wird auch Stahlhof (Steelyard) genannt. Tatsächlich stammt das Wort "Stal" aus dem niederdeutschen und bedeutet zum Verkauf ausgelegte Ware / Muster/ Probe. Seit 1475 besaß die Hanse ein umfriedetes Gelände am linken Themseufer oberhalb der London Bridge.

Auf dem Gelände befanden sich Ladekran, Wohn-und Wirtschaftsgebäude, Gildehalle und ein Rheinisches Weinhaus. Nach Aufhebung der hanseatischen Privilegien (1598) wurde er 1603 geschlossen, später wiedereröffnet, 1853 verkauft. Heute erinnert in London eine Gedenktafel an den Stalhof.

(RP)
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