Duisburg Ein technischer Sprung in die Zukunft

Duisburg · Der Fahrgast muss sich im kommenden Monat auf zahlreiche Fahrplanänderung einstellen. Der Bau der neuen Stellwerksanlagen ist ein Riesenprojekt. Die Bahn investiert rund 70 Millionen Euro.

 Vom Stellwerk aus haben die Bahn-Mitarbeiter den Lauf der Züge immer im Blickfeld.

Vom Stellwerk aus haben die Bahn-Mitarbeiter den Lauf der Züge immer im Blickfeld.

Foto: Christoph Reichwein

Mit 20 bis 30 Minuten längerer Fahrzeit im Nahverkehr und bis zu 60 Minuten im Fernverkehr, mit Umsteigen auf andere Linien, Busse oder Straßenbahnen müssen Bahnkunden in und um Duisburg zwischen 13. und 29. September rechnen. Grund ist die Inbetriebnahme des neuen elektronischen Stellwerks. 70 Millionen Euro investiert die Bahn für den technischen Sprung in die Zukunft, an dem schon seit mehr als zwei Jahren gearbeitet wird. 100 Bahn-Beschäftigte widmeten sich dem Projekt, bei dem an eigentlich übersichtlich erscheinenden 21 Kilometern Schienenstrecke 150 Weichen angepasst, 30 Kilometer Kabelkanaltrasse angelegt und über 700 Kilometer Kabel verlegt wurden. Spektakulärste Aktion war das Aufstellen von 192 neuen Signalen, von denen 95 per Helikopter eingeflogen wurden.

Von der technischen Umstellung betroffen ist die Bahnregion zwischen Oberhausen, Mülheim-Styrum, Flughafen Düsseldorf, Wedau und Rheinhausen, Personen- wie auch Güterverkehr. Die neue Schaltzentrale innerhalb der Betriebszentrale von DB Netz ersetzt die bisherigen Stellwerke Abzweig Kaiserberg, Großenbaum und Duisburg-Hauptbahnhof, von denen die beiden ersteren schon länger fernbedient und somit ohne Personal betrieben wurden. Die drei "Altstellwerke" stammen laut Deutscher Bahn aus den Jahren 1962 bis 1977.

Im Zentrum der technischen Umstellung steht der Bahnknotenpunkt Duisburg-Hauptbahnhof, der täglich von rund 730 Zügen angefahren und rund 100 000 Reisenden genutzt wird. Während der Güterverkehr wegen der zahlreichen Streckenalternativen im Ruhrgebiet noch weitgehend umgeleitet werden kann, musste an den Fahrplanlösungen für den Personenverkehr intensiv getüftelt werden. Vor allem am Hauptbahnhof heißt das: In der entscheidenden Phase werden Züge nicht am gewohnten Bahnsteig halten - oder auch gar nicht. Der Fernverkehr wird nämlich vor allem an den letzten Umstellungstagen auch über S-Bahn-Gleise rollen müssen. Die dazugehörigen Bahnsteige sind aber zu kurz für die Fernzüge. Folge: Einige davon werden ohne Halt durchfahren. Schon jetzt informiert die Bahn auf den Bahnhöfen auf Plakaten über die vielen Änderungen auf fast allen Linien ab Mitte September. Für fast alle Züge finden sich auch schon im Internet Informationen über Fahrzeiten und Fahrstecken, komplette Angaben sollen rechtzeitig verfügbar sein. Beate Renneberg von DB Netz rät Bahnkunden dringend, sich schon frühzeitig zu informieren.

Auf den Hauptbahnhöfen Duisburg, Oberhausen und Düsseldorf werden zudem insgesamt sieben sogenannte "Reisenden-Lenker" eingesetzt, die auf dem Bahnsteig Rat geben und für Nachfragen bereit stehen sollen.

Der Bahnverkehr soll reibungsloser, pünktlicher und schneller werden - dieses Ziel verbindet die Deutsche Bahn mit der multimillionenteuren Modernisierung der Stellwerkstechnik quer durch die Republik.

Bei den bisherigen Stellwerken in Duisburg wurde mit Drucktasten gearbeitet und Relais. In Zukunft arbeitet das Stellwerkspersonal mit Maus und Monitor.

Am Anfang der mehr als 150-jährigen Eisenbahngeschichte wurden Signale und Weichen per Muskelkraft direkt an der Strecke gestellt. Dichter werdender Bahnverkehr erforderte schon vor 100 Jahren eine Zentralisierung der Weichen- und Signalsteuerung, die Stellwerke entstanden. Viele davon verschwanden wieder im Zuge weiterer Modernisierungen oder wurden anderweitig genutzt. In Hohenbudberg beispielsweise gastronomisch.

Das Stellen der Weichen und Signale erfolgte beim mechanischen Stellwerk durch einen Drahtzug, was die Entfernung zum Stellwerk begrenzte. Bei elektromechanischen Stellwerken sorgte später Strom für Bewegung der Weichen. Nach dem zweiten Weltkrieg setzten sich dann immer mehr Gleisbildstellwerke als vollelektrische Relaisstellwerke durch. Mit elektronischen Bauteilen zögerte man bei der Deutschen Bahn relativ lang, wegen anfänglicher Sicherheitsbedenken und wegen zunächst noch hohen Kosten.

(RP)
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