Duisburg Eine Finnin und zweimal Beethoven

Duisburg · Im jüngsten, ersten Kammerkonzert der neuen Saison 2017/18 in der am Wahlabend diesmal nicht ganz so gut gefüllten Philharmonie Mercatorhalle gastierte erstmals das erstklassige junge Gringolts-Quartett aus Zürich.

 Das Gringolts-Quartett aus Zürich überzeugte mit vollendeter Klarheit und Stilsicherheit.

Das Gringolts-Quartett aus Zürich überzeugte mit vollendeter Klarheit und Stilsicherheit.

Foto: Tomasz Trzebiatowsk

Drei Jahre bei Itzhak Perlman an der New Yorker Julliard School, der erste Preis beim prestigereichen Premio Paganini in Genua - mit gerade mal 20 Jahren hatte der 1982 in St. Petersburg geborene Geiger Ilya Gringolts in der Klassikszene bereits unübersehbare Marken gesetzt. Die Aussicht auf eine glanzvolle Solistenkarriere war ihm indes nicht genug: Gringolts fesselte die Kammermusik, die Alte Musik, auch das Unterrichten - seit 2013 leitet er eine Klasse an der Musikhochschule Zürich. 2008 gründete Gringolts gemeinsam mit seiner Ehefrau, nämlich der armenischen Geigerin Anahit Kurtikyan, und zwei engen Musikerfreunden, nämlich der rumänischen Geigerin Silvia Simionescu und dem deutschen Cellisten Claudius Hermann, in Zürich eine eigene Streichquartett-Formation.

Im Zentrum ihres Duisburger Debüts stand eines der meistgespielten Werke der 1970 in Helsinki geborenen und längst international erfolgreichen finnischen Komponistin Lotta Wennäkoski. Ihr zehnminütiges, stimmungsvolles Streichquartett "Culla d'aria" ("Wiege der Luft", 2003/04) wird bestimmt durch einen schwingenden oder schaukelnden Puls, dazu kommt ein melancholischer und ätherischer Klang, der zeitweilig heftig anschwillt, dabei durchaus romantische Züge zeigt und schließlich wieder verklingt.

Flankiert wurde Wennäkoskis zartes Werk durch zwei handfeste Beiräge von Ludwig van Beethoven. Das war klug gewählt, auch weil das insgesamt eher eloquente Streichquartett B-Dur op. 18 Nr. 6 (1800) Verbindungen zu der zeitgenössischen Komposition enthielt, vor allem die ausführliche Vortragsanweisung zur langsamen Einleitung "La Malinconia" ("Die Melancholie") im Finale: "Questo pezzo si deve trattare colla più gran delicatezza" ("Dieses Stück muss man mit der größten Zartheit behandeln"). Nach der Pause kam dann noch das weitgehend lyrische, groß angelegte Streichquartett e-Moll op. 59 Nr. 2 (1805/06). Da die betreffende Werkgruppe Graf Rasumowsky, dem damaligen russischen Botschafter in Wien gewidmet ist, zitiert Beethoven im Scherzo-Trio das Lied "Sláva Bogu na nebe" ("Ehre sei Gott im Himmel"), das er in der damals gerade neu aufgelegten Sammlung russischer Volkslieder von Iwan Pratsch fand. Allerdings wird das "Thème russe" bei Beethoven zu spielerischer Leichtigkeit umgedeutet. Jahrzehnte später hat Modest Mussorgsky dieses Thema in der Krönungsszene seiner Oper "Boris Godunow" aufgegriffen und dabei viel stärker jenen hymnischen Charakter erhalten, auf den Beethoven so bewusst verzichtet hatte. Die willkommene Zugabe war der langsame Satz aus dem Streichquartett Nr. 1 a-Moll op. 41 Nr. 1 (1842) von Robert Schumann.

Das Gringolts-Quartett spielte das alles mit vollendeter Klarheit und Stilsicherheit. Die schnellen Sätze wirkten so hurtig, dass man gerade noch die Einzelheiten unterscheiden konnte, und in den ruhigen Sätzen gab es kaum Vibrato. Der sensationelle Abend setzte höchste Maßstäbe für die neue Saison der Duisburger Kammerkonzerte.

Im nächsten Kammerkonzert am Freitag (ausnahmsweise), 6. Oktober, um 19 Uhr, stellt sich Duisburgs "Artist in Residence" (Gastkünstler) für 2017/18 vor. Der 1984 geborene Pianist Boris Giltburg spielt dann zum 100. Jahrestag der Oktoberrevolution je ein Werk von fünf russischen Komponisten, darunter seine eigene Klavierbearbeitung des Streichquartetts Nr. 8 c-Moll op. 110 von Dmitri Schostakowitsch. Dieses Sonderkonzert ist nicht im Abonnement der Kammerkonzerte enthalten. Karten gibt es am einfachsten im Internet unter karten@theater-duisburg.de.

(hod)
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