Duisburg Eine Satire über Petro-Kommunismus

Duisburg · Harald Martenstein las im Konferenz-Zentrum "Der kleine Prinz" für den Verein für Literatur und Kunst sowie für das Literaturbüro Ruhr ("ruhr(s)pott") aus seinem jüngsten Roman "Schwarzes Gold aus Warnemünde".

Wenn man Texte von Harald Martenstein selbst liest, vor allem seine Kolumnen, könnte man ihn für einen Zyniker halten. Wenn man ihn selbst als vorzüglich deutlichen und freundlichen Vorleser erlebt, wie jetzt im Konferenz-Zentrum "Der kleine Prinz", dann erkennt man auch den Menschenfreund Martenstein. Es ging um seinen gerade erst erschienenen Roman "Schwarzes Gold aus Warnemünde", den er zusammen mit Tom Peuckert verfasst hat. In Duisburg erklärte der 1953 geborene Autor, vor langer Zeit seien sowohl er selbst (in der DKP), als auch Peuckert (in der SED) Kommunisten gewesen. In dem Buch gehe es unter anderem darum, warum sie das längst nicht mehr sind.

Der Roman stellt die ebenso amüsante wie erkenntnisreiche Frage, was wäre, wenn die Geschichte anders verlaufen wäre. Im Herbst 1989 wird nahe der Ostseeküste ein riesiges Ölvorkommen entdeckt. Die DDR überlebt nicht nur - sie ist plötzlich das reichste Land der Welt, reicher als Saudi-Arabien. Doch das schwarze Gold bringt nicht nur Segen. 2015 feiert die DDR 25 Jahre Erdöl-Sozialismus - beneidet von ihren Brüdern und Schwestern im verarmten Westen. Dank ihres Wagemuts und wechselnder Identitäten gelingt zwei Reportern, wovon viele nur träumen: ein Blick hinter die Kulissen.

Der Westdeutsche Martenstein und der systemkritische DDR-Bürger Peuckert lernen die Schattenseiten des Imperiums kennen. Sie gehören zu jenen Wanderarbeitern, die ihre Körperkraft feilbieten auf den Prunktellern des Petro-Kommunismus. Als Masseur, Portier und Broilerbrater werden sie buchstäblich wie der letzte Dreck behandelt und als Undercover-Reporter von den Mächtigen hofiert. Trotz aller Demütigungen und Gefahren begegnen ihnen aber auch Freundschaft und ja, Liebe. Wir begegnen Hartmut Mehdorn als Robotron-Chef, Karl-Theodor zu Guttenberg als Wirtschaftsminister - und Sahra Wagenknecht als Yoga-Lehrerin. Auch Angela Merkel kommt vor - bei einem Dissidenten-Treffen im Oktober 1989, das wirklich stattfand, soll sie schon nur zugehört und danach erst gehandelt haben. Die DDR des Buches wahrt die rote Fassade, obwohl es nur noch um Bereicherung geht, ähnlich wie heute tatsächlich in der Volksrepublik China. Es beginnt mit der legendären Zettel-Pressekonferenz, bei der Günter Schabowski aber mitteilt: "Die Regierung der DDR hat sich entschlossen, Ihnen mitzuteilen, dass ab sofort Öl zur Verfügung steht", und dann "Soweit ich weiß, gilt das ab sofort. Unverzüglich." Duisburg kommt auch darin vor, hier lässt sich Martenstein vom "Interjob-Büro" in die DDR vermitteln.

Klar, dass an diesem Abend auch einige Kolumnen zu hören waren. Über die Schluffi-Generation der heutigen Söhne ("wenn man denen anbietet, Bundeskanzler oder Vorstandsvorsitzender zu werden, nehmen die ihre Chipstüte und schlurfen in ihr Zimmer"), über die deutsche "Sargpflicht" oder über die Frage, wo man in zehn Jahren beruflich stehen will: "In zehn Jahren bin ich froh, wenn ich überhaupt noch stehen kann. Mein nächstes Bewerbungsgespräch habe ich mit einer Heimleiterin."

Gleichfalls eine Kooperation des Vereins für Literatur und Kunst mit der aktuellen Reihe "ruhr(s)pott" des Literaturbüros Ruhr ist die nächste Veranstaltung am Freitag, 23. Oktober, um 20 Uhr, in der Zentralbibliothek im Stadtfenster, Steinsche Gasse 26. Wilhelm Genazino liest dann aus seinem Buch "Tarzan am Main - Spaziergänge in der Mitte Deutschlands" und diskutiert mit Gabriele von Arnim. Karten kosten sechs Euro im Vorverkauf (in der Zentralbibliothek während der Öffnungszeiten) und acht Euro an der Abendkasse.

(hod)
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