Rückblick Unser Jahr 2014 Eine Stadt stößt an ihre Grenzen

Duisburg · Das Thema Zuwanderung hat Duisburg in diesem Jahr stärker denn je beschäftigt, wobei viele gar nicht mehr zwischen Zuwanderern (vor allem aus Südosteuropa) und Asylsuchenden unterschieden haben. Doch das sollte man.

2014: Das hat Duisburg bewegt - und lahmgelegt
13 Bilder

2014: Das hat Duisburg bewegt - und lahmgelegt

13 Bilder

Die meisten Zuwanderer, die nach Duisburg kommen, stammen aus Rumänien und Bulgarien. Zum 1. Januar trat für sie die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit in Kraft. Das barg generell die Chance, den Fachkräftebedarf zu decken. Aber die meisten Südosteuropäer, die in unsere Stadt kommen, sind keine Fachkräfte. Das Jobcenter rechnete darum mit einem Ansturm von Menschen, die Sozialleistungen für sich beanspruchen würden - der blieb jedoch aus. Denn in den meisten Fällen waren die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt.

Mit Spannung wurde genau zu diesem Thema ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes erwartet. Eine Rumänin hatte geklagt. Ihr waren Sozialleistungen verweigert worden, weil sich sich keinen Job suchen wollte. Das Gericht lehnte die Klage im November ab, was bedeutet, dass Deutschland EU-Zuwanderern ohne Job auch künftig staatliche Leistungen wie Hartz IV verweigern darf. Jobcenter-Chef Norbert Maul und Sozialdezernent Reinhold Spaniel waren erleichtert. Denn man hätte theoretisch allen rund 10 500 in Duisburg lebenden Zuwanderern europäischen Staaten Sozialleistungen zahlen müssen. So beziehen derzeit "nur" zirka 1700 von ihnen Hartz V.

Nicht nur die Sozialleistungen, auch die Wohnungssituation war 2014 ein großes Thema. Im Hochaus In den Peschen und im benachbarten Wohnkomplex an der Beguinenstraße in Bergheim lebten zum Jahresbeginn noch rund 700 Menschen - überwiegend Rumänen. Doch der Eigentümer der Bergheimer Immobilien beschloss, die Häuser "leer ziehen" zu wollen. Er kündigte die Mietverträge, gab keine neuen mehr heraus, und ließ Stadtwerke-Mitarbeiter unter Polizeischutz Strom- und Gaszähler in den Gebäuden ausbauen. Im Juli schließlich erklärte die Stadt Duisburg das Hochhaus In den Peschen - die Gebäude an der Beguinenstraße waren bereits leer und verriegelt - für unbewohnbar und forderte: Bis zum Monatsende müssen die noch verbliebenen rund 100 Rumänen ausgezogen sein. Das geschah dann auch. Die meisten Bewohner kamen in anderen Stadtteilen unter oder zogen in andere Städte.

Das Thema Asylbewerber ist ein ganz anderes, aber nicht minder wichtiges im Jahr 2014. Denn die Stadt Duisburg stieß hier an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Grund ist der feste Schlüssel, nach dem Asylbewerber auf die Kommunen verteilt werden. Rein rechnerisch landen rund 2,6 Prozent aller NRW-Asylbewerber in Duisburg. In absoluten Zahlen waren das in diesem Jahr rund 100 neue Flüchtlinge pro Monat.

Die vorhandenen sechs Übergangswohnheime waren schnell belegt, genau wie die mittlerweile knapp 300 beschlagnahmten Wohnungen. Und es war klar: Die meisten der vom Rat beschlossenen sieben neuen Einrichtungen für Asylbewerber würden nicht mehr in diesem Jahr fertig werden. Hilferufe an das Land und den Bund blieben zunächst ungehört. Weil sie sich nicht mehr anders zu helfen wusste, verkündete die Stadtspitze im August, man werde auf einem Ascheplatz in Walsum eine Zeltstadt errichten, in der bis zu 160 Asylbewerber unterkommen könnten. Eine Art Notlösung, hieß es. In sechs bis acht Wochen seien hoffentlich weitere Unterkünfte in festen Häusern beziehbar. Was folgte, war ein bundesweiter Aufschrei, von unmenschlichen Lebensbedingungen war die Rede. Dass es bereits vier Wochen später in zehn deutschen Städten Zeltlager dieser Art für Asylbewerber gab und sich darüber kaum einer aufregte, sei hier nur am Rande erwähnt.

Auf jeden Fall musste in Duisburg kein Flüchtling in der Zeltstadt wohnen - Ende Oktober wurde sie wieder abgebaut, ohne je benutzt worden zu sein. Gleichzeitig begann eine Debatte über eine Zentraleinrichtung für Asylbewerber im ehemalige St.-Barbara-Hospital in Neumühl. Ankommende Flüchtlinge, hieß es, sollten von dort aus auf die Städte verteilt werden. Auch hier gab es Proteste: Als im September in einer Bürgerinfoveranstaltung bekanntgegeben wurde, dass das alte Krankenhaus vorübergehend Platz für bis zu 300 Flüchtlinge bieten soll, geriet die Situation außer Kontrolle: Rechtspopulisten von Pro NRW, die diese Veranstaltung für ihre Zwecke nutzen wollten, gerieten mit Linken aneinander, die Polizei musste die Schlägerei schlichten. Das ehemalige Krankenhaus wurde in den vergangenen Wochen saniert, vor wenigen Tagen sind die ersten Asylbewerber eingezogen.

Die Suche nach weiteren geeigneten Notunterkünften hält derweil an. Mittlerweile sind Asylbewerber in einer Turnhalle in Meiderich sowie in einer ehemaligen Schule samt Turnhalle in Rheinhausen untergebracht. Ab Anfang Januar sollen zudem bis zu 100 Asylbewerber in der ehemaligen Jugendherberge in Wedau unterkommen. Aber auch das wird nicht lange reichen. Die unverändert angespannte Situation in den Krisen- und Kriegsregionen dieser Welt lässt erwarten, dass die Stadt auch im kommenden Jahr bei der Unterbringung von Asylbewerbern immer wieder an ihre Grenzen stoßen wird.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort