Rp-Opernscouts Endspiel und Szenen einer Ehe

Duisburg · "Young Directors" heißt eine neue Plattform der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf/Duisburg, in der junge Künstler aus dem eigenen Ensemble die Gelegenheit bekommen, in den Strukturen eines großen Opernhauses eigene Inszenierungen zu entwickeln.

 Jessica Gerhold

Jessica Gerhold

Foto: Roman Buhl

Zum Auftakt stellten sich jetzt im Theater Duisburg Tibor Torell und Philipp Westerbarkei, sonst als Rheinopern- Spielleiter für den Ablauf der Vorstellungen im Sinne des Regisseurs verantwortlich, mit zwei amerikanischen Opern-Einaktern des 20. Jahrhunderts vor. Im ersten Stück ist Kommunikation vollkommen unmöglich, im zweiten war die Beziehung immerhin mal glücklich, doch sind selbst die Gespräche dort inzwischen eigentlich Schweigen. Mit "What Next?" schrieb Elliott Carter (1908-2012) im zarten Alter von 90 Jahren seine einzige Oper, zugleich ein Schlüsselwerk seines Schaffens.

 Rouven Kasten

Rouven Kasten

Foto: Roman Buhl

Auf einer Landstraße kam es zu einem Unfall. Die sechs Opfer sind unverletzt, können sich aber nicht mehr erinnern, wie und warum sie überhaupt in diese Lage gekommen sind und in welcher Beziehung sie zueinander stehen. In mehreren Anläufen versuchen sie, die Situation zu klären - vergeblich, da helfen auch die beiden Schlagzeuger auf der Bühne nicht, bei Torell als Gartenzwerg und Christus als Bilder für die Hoffnung auf Erlösung im Konsum oder im Glauben.

 Martin Breil

Martin Breil

Foto: Roman BUHL

Gleichfalls ein Opern-Erstling ist "Trouble in Tahiti" (1952) von Leonard Bernstein (1918-1990). In einer amerikanischen Vorstadt ist die Ehe von Dinah und Sam nach fast zehn Jahren nicht mehr so ganz in Hochform. Mit leichter Hand führen uns diese Szenen einer Ehe vor Augen, dass materieller Wohlstand und beruflicher Erfolg ganz und gar kein Garant für ein erfülltes Leben sind.

Das haben die beiden "jungen" Inszenierungen gut auf den Punkt gebracht, sowohl das orientierungslose Endspiel bei Carter als auch die allgegenwärtige Küche bei Bernstein (Bühne und Kostüme: Tatjana Ivschina). Die Leistung der Sänger ist überragend, vor allem genannt werden müssen Romana Noack als Mama bei Carter sowie Ramona Zaharia als Dinah und Thomas Laske als Sam bei Bernstein. Als Dirigenten lassen der 26 Jahre junge Jesse Wong beziehungsweise der bereits erfahrenere Patrick Francis Chestnut die Duisburger Philharmoniker die ganze Prägnanz, aber auch die ganze Poesie und den ganzen Swing dieser Partituren ausspielen.

Die Premiere verfolgten auch wieder fünf RP-Opernscouts - kulturinteressierte Menschen, die aber bislang mit Oper weniger zu tun hatten und nun ihre Eindrücke exklusiv für unsere Zeitung schildern (die RP berichtete).

Vier von ihnen fanden das erste Stück "anstrengend" bis "unverständlich", das zweite "eingängiger" und "vorhersehbarer". Über Carter meinte die Gymnasial-Lehrerin Jessica Gerhold "der Schüler hat zu viel gewollt", und der Social-Media-Experte Rouven Kasten "die armen Abonnenten". Nur Martin Breil, Diplom-Ingenieur für Hochbau, hatte den Abend anders erlebt. Als er "What Next?" als "genial" bezeichnete, fragte ihn Rouven Kasten lachend: "Was haben Sie vorher geraucht?" Breil: "Wir sehen in diesem Stück, dass der Mensch ein Auslaufmodell ist und wir alle am Ende nur noch in die Windeln machen. Das ist die Folge unserer Umwelt- und Konsumpolitik und als Vermächtnis von Carter sehr überzeugend. Die zappelige Musik von Bernstein hat mir dagegen noch nie gefallen, und wir wissen doch alle längst, dass die Pärchenlüge eh keine Zukunft hat."

(hod)
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