Duisburg "Ermöglicher" wird heute 90 Jahre alt

Duisburg · Von 1976 bis 1992 prägte Dr. Dr. h.c. Konrad Schilling als Dezernent das Duisburger Kulturleben an erster Stelle. Er ist der Vater der Akzente, der Musikfestivals und der Brunnenmeile, ein Pionier der Ost-West-Kontakte auf Stadtebene.

 16 Jahre lang prägte Dr. Konrad Schilling als Dezernent das Duisburger Kulturleben. Heute wird er 90.

16 Jahre lang prägte Dr. Konrad Schilling als Dezernent das Duisburger Kulturleben. Heute wird er 90.

Foto: a. probst (archiv)

Es gibt nicht wenige Künstler und andere Kulturschaffende in Duisburg, die Dr. Dr. h.c. Konrad Schilling mit einer Straße ehren wollen, die seinen Namen trägt. Das sei zwar unüblich, aber "Konrads Verdienste für das Kulturleben der Stadt muss man doch würdigen", meinen beispielsweise der bekannte Duisburger Künstler Chinmayo und der ehemalige Kunstprofessor und Künstler Prof. Martin Goppelsröder, die sich für die Namensgebung stark machen.

Wenn man in Duisburg Rückschau hält, dann fällt immer noch häufig das Satzfragment "Zu Schilllings Zeiten...". 16 Jahre lang prägte Schilling als Dezernent das Kulturleben der Stadt. Er war ein gewiefter Verwaltungsmann, der die politischen und administrativen Gremien zu nehmen wusste und zum Teil ziemlich rigoros beherrschte. Er war ein ungemein konditionsstarker Arbeiter, der von seinen Mitarbeitern viel verlangte. Einige sagen, er habe oftmals zu viel verlangt, weil er sich selber als Maßstab für Leistungsfähigkeit nahm. Als Schilling 1992 das Pensionsalter erreichte und notgedrungen sein Dezernentenamt aufgeben musste, wurde er in dieser Zeitung als "schuftender Paradiesvogel" bezeichnet. Er war der Prototyp eines hart arbeitenden Menschen, der aber offen für Grandezza war. Heute wird er 90.

Schillings Name wird vor allem mit den Duisburger Akzenten verbunden. Aus der Idee seines Vorgängers Dr. Wehner machte der 1976 aus Göttingen nach Duisburg gelockte Dezernent ein Kulturereignis, das das städtische Leben im Jahreskreislauf fortan prägte. "Shakespeare", Goethe & Co.", "Kleiner Mann, was tun?", "Russlands große Realisten" oder "Zurück zur Narrtur": Wer diese Akzente miterlebt hat, weiß, dass Schilling Großes geleistet hat. "Mit wenig Geld!", wie er immer wieder versichert. Schilling, der sich selber als "Ermöglicher" sieht, war, wie man heute sagen kann, ein Pionier der Ost-West-Kontakte auf Stadtebene. 1987, zwei Jahre vor der Wende, gab es in Duisburg "Einblicke"-Akzente, bei der Kultur aus der DDR in Duisburg präsentiert wurde, ohne dass zu viele Konzessionen ans DDR-Regime gemacht wurden. Und die Akzente 1990, die "Unser Haus Europa" in Duisburg zeigten, markierten eine Wendesituation, nämlich Höhepunkt und Niedergang der Ära Gorbatschow.

Schilling setzte nicht nur mit den Akzenten Akzente. Die Brunnenmeile, Duisburgs große Musikfeste, die Künstlerhäuser und der Künstleraustausch, Gastspiele von Pina Bausch oder Bernd Schindowski im Stadttheater: All das wäre ohne Konrad Schillings enormes Durchsetzungsvermögen wohl nicht möglich gewesen. Dem jungen Geiger Frank Peter Zimmermann räumte Schilling so manche bürokratische Hürde aus dem Weg. Immer wieder hat der später zum Star des Musiklebens avancierte Frank Peter Zimmermann Schilling dafür öffentlich gedankt.

Mit einer Existenz im Ruhestand konnte sich Schilling nie anfreunden. Nach seiner Pensionierung war er eine Zeitlang Intendant der Philharmonia Hungarica, und im Verein "pro Ruhrgebiet" zog er weiterhin an vielen kulturellen Strippen. Unter seiner Federführung entstand vor Beginn des Kulturhauptstadtjahrs eine gigantische Materialsammlung unter dem Titel "Perspektivplan", in der Ideen für das zukünftige kulturelle Leben im Ruhrgebiet gesammelt wurden.

Zweifellos war Schilling ein Macher, aber einer, der Tiefendimensionen nicht ignoriert. Seine Gedichte, die er in einem privat gedruckten Band veröffentlicht hat, zeigen einen Mann, der empathisch empfinden kann. Zu seinen Tugenden gehören zweifellos Toleranz und Offenheit für andere Lebensentwürfe.

Bis vor einigen Jahren wirkte Schilling wie ein physischer Kraftprotz, der dem Alter trotzt. Doch jenseits seines 85. Geburtstag musste er einen Schlaganfall verkraften, der ihn von den Beinen warf. Aber nicht untätig werden ließ. Nun sieht man ihn bei Ausstellungen, in Konzerten und anderswo im Rollstuhl. Sein Verstand und seine Kommunikationsfähigkeit sind ungebrochen. Wenn man sich mit ihm unterhält, gewinnt man den Eindruck, dass der ehemalige Ermöglicher mit einem beeindruckenden Maß an Altersweisheit gesegnet ist. Aktiv ist er nach wie vor: Seine autobiografischen Schriften wachsen. Konrad Schilling hat Einiges erfahren in seinem bisherigen Leben. Er hat Grund, auf Vieles stolz zu sein.

Wir wünschen ihm alles Gute zu seinem großen Geburtstag.

(pk)
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