Holger Pethke "Es gibt eine Tradition der Integration"

Duisburg · Der Duisburger Jugendamtsleiter hat nach der Wende viele Jahre im Osten gearbeitet. Im Interview mit der RP spricht er über die Vorteile, die Duisburg bei der Integration der Flüchtlinge hat.

Jugendamtsleiter Holger Pethke ist in der ehemaligen DDR aufgewachsen. Weil er nicht Lehrer werden durfte, studierte er Gesang, Klavier und Psychologie in Dresden, ließ sich zum Musiktherapeuten ausbilden und absolvierte eine Verwaltungsausbildung. Nach der Wende begann seine Laufbahn im öffentlichen Dienst.

Herr Pethke, Sie waren zuletzt Jugendamtsleiter in Chemnitz, nun sind Sie in Duisburg. Was sind Ihre Eindrücke angesichts der Flüchtlingssituation?

Pethke Was ich ganz toll finde, ist die Gelassenheit, mit der die Duisburger mit dem Thema Asyl und Integration umgehen.

Meinen Sie die Haltung der Stadtverwaltung oder die der Duisburger?

Pethke Ich meine die Zivilgesellschaft. Hier gibt es eine Tradition der Integration. Wenn Städten wie Chemnitz, Dresden oder Leipzig das zugemutet würde, was Duisburg zugemutet wird, würde dort die bürgerliche Mittelschicht auf die Barrikaden gehen. Hier macht man sich gleich verdächtig, wenn man ein kritisches Wort zur Flüchtlingspolitik der Bundesregierung sagt. Es ist gleichzeitig faszinierend, was die Mitarbeiter des Sozialamtes, des Ordnungsamtes, des städtischen Immobilienmanagements, der Feuerwehr und die Freien Träger der Wohlfahrtspflege leisten.

Wie groß ist die Aufgabe, die Duisburg erfüllen muss?

Pethke Die Aufgabe ist kleiner, als die Duisburger das wahrnehmen. Viele sehen nur die vollen Turnhallen. Dabei liegt der Anteil von Flüchtlingen an der Bevölkerung noch unter einem Prozent. Das kann eine Stadt in der Größenordnung wie Duisburg wegatmen.

Seit dem 1. November gilt das Gesetz, das unbegleitete minderjährige Flüchtlinge auf die Kommunen verteilt werden. Wie sieht es da in Duisburg aus?

Pethke Wir haben derzeit 112 unbegleitete Minderjährige in der Obhut des Jugendamts. Am vergangenen Montag hat das Jugendamt 21 Kinder in der Glückauf-Halle in Empfang genommen.

Was passiert mit diesen Kindern?

Pethke Wir bringen sie in Heimen oder bei Verwandten unter und bestellen nach Bedarf einen Vormund. Das müssen in der Regel Profis sein. Insgesamt 200 unbegleitete Kinder und Jugendliche erwarten wir nach derzeitigem Stand. Neun zusätzliche Mitarbeiter werden sich um sie kümmern.

Wo bringen Sie diese Jugendlichen denn unter?

Pethke Das Jugendamt hat selber keine Unterkunft. Deswegen bringen wir die Kinder und Jugendlichen in Heimen freier Träger wie Caritas, Diakonie, Awo oder Lebenshilfe unter. Oft sind nicht genug Plätze frei. Dann müssen wir innerhalb kürzester Zeit Plätze schaffen.

Was ist mit Kindern, die mit ihren Familien kommen?

Pethke In Zukunft werden wir mehr Kita-Plätze benötigen. Familien, die aus Krisengebieten kommen, geben ihre Kinder nicht sofort in staatliche Betreuung. Das Wichtigste ist Ruhe und ein bisschen Privatsphäre, Sprachförderung und sinnvolle Aktivitäten. Die Kinder sind teilweise 4000 Kilometer gewandert und haben Schlimmes erlebt. Traumatherapien setzen sprachliche Kompetenzen voraus. Zum Glück haben Kinder oft das Geschenk des Vergessens.

FRANZISKA HEIN STELLTE DIE FRAGEN.

(RP)
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