Duisburg Gebrochene Romantik weiter entwickelt

Duisburg · Die Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf/Duisburg übernahm ihren dreiteiligen, zweitjüngsten und insgesamt gelungenen Ballettabend "b.16" jetzt in ihr Duisburger Haus. Dazu gehört Martin Schläpfers "Nacht umstellt".

 Szene aus "Nacht umstellt" von Martin Schläpfer.

Szene aus "Nacht umstellt" von Martin Schläpfer.

Foto: gert weigelt (DOR)

Endlich war es hier mal wieder soweit, ein großes Ballettereignis in Duisburg: Die Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf/Duisburg übernahm ihren dreiteiligen, zweitjüngsten Ballettabend "b.16" nach dem großen Erfolg im Juli in Düsseldorf jetzt in ihr Duisburger Haus. Er beginnt wie so oft mit zwei kurzen Stücken von zwei Vorbildern von Ballettdirektor Martin Schläpfer, an denen auch das Ballett am Rhein immer weiter wächst. Der längere Teil nach der Pause ist dann Schläpfers zweitjüngste eigene Choreographie.

"Afternoon of a Faun" (1953) von Jerome Robbins, einem breiten Publikum bekannt als der Choreograph der "West Side Story", verwendet das "Prélude à l'après-midi d'un faune" von Claude Debussy. Ein Junge (Alexandre Simoes) und ein Mädchen (Nicole Morel) proben zusammen im Ballettsaal und merken kaum, dass sie sich dabei einander erotisch annähern. Oder hat der Junge das nur geträumt? Der Clou liegt jedenfalls darin, dass die beiden wie üblich nur auf den Spiegel schauen — auf die vierte Wand und somit auf uns als Publikum.

In "Without Words" (2010) von Hans van Manen auf vier Mignon-Lieder nach Goethe von Hugo Wolf, ausgeführt nach einer Idee von Reinbert de Leeuw ohne Singstimme (also eben ohne Worte), bemühen sich drei Herren (Marcos Menha, Bogdan Nicula und Paul Calderone) um eine Dame (Julie Thirault) - mit mäßigem Erfolg, obwohl sie alle vier betörend tanzen.

Martin Schläpfers "Nacht umstellt" (2013) schließlich gewinnt seine Form aus einer fünfteilig symmetrischen Anordnung von Musikstücken. Im Mittelpunkt steht die Sinfonie Nr. 7 h-Moll D 759 "Unvollendete" von Franz Schubert. "Umstellt" ist sie von den womöglich noch nächtlicheren, gewissermaßen zum Verdorren neigenden Orchesterwerken "Il suono e il tacere" (2004) und "Shadow of Sound" (2005) von dem 1947 geborenen Sizilianer Salvatore Sciarrino. Ganz "außen" stehen CD-Einspielungen von Schubert-Werken: 16 Deutsche Tänze für Klavier D 783 als im wahrsten Sinne des Wortes tänzerischer Prolog und der Männerchor "Die Nacht" D 983c als Abgesang-Epilog.

Es geht darum, dass der "kleine" Mensch sich in der Nacht besonders bewusst wird, dass seine "Antennen" nicht ausreichen, um das "unendliche" Universum auszuloten. Und im Rückblick entfaltet sich der tiefere Sinn des Abends, mit Schuberts Worten: "Keiner, der den Schmerz des Andern, und Keiner, der die Freude des Andern versteht. Man glaubt immer, zu einander zu gehen, und man geht immer nur neben einander. O Qual für den, der dies erkennt!" Martin Schläpfer hat mit "Nacht umstellt" seine vielfach gebrochene Romantik weiter entwickelt. Unglaublich, was seine Compagnie inzwischen so alles kann. Das hat ironische Massenszenen, aber auch existenziell erschütternde Soli wie dasjenige für Yuka Kato zum ersten Satz der "Unvollendeten". Das Ganze muss man also erlebt haben, auch weil Operndirektor Stephen Harrison als vorzüglicher Pianist und die Duisburger Philharmoniker unter der Leitung von Wen-Pin Chien die kniffligen Kompositionen natürlich atmen lassen. Gelegenheit dazu gibt es am 3., 7., 14., 20. und 28. Dezember, jeweils um 19.30 Uhr, sowie am 26. Dezember, um 18.30 Uhr. Karten gibt es im Servicebüro des Stadttheaters, Neckarstraße 1 (Tel. 0203 / 3009-100) oder im Opernshop an der Düsseldorfer Straße 5 (neben der Zentralbibliothek), Tel. 0203/ 9407777.

(hod)
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