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Loveparade-Strafprozess abgesagt Kraft: "Eine lückenlose Aufklärung rückt nun in weite Ferne"

Duisburg · Nach einem Beschluss des Duisburger Landgerichts wird es keinen Strafprozess wegen des Loveparade-Unglücks geben. Das Gericht bestätigte am Dienstag, dass die Anklage nicht zur Hauptverhandlung zugelassen wurde. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) äußerte Unverständnis für diese Entscheidung.

Kein Strafprozess nach Loveparade-Unglück: Bilder von der Pressekonferenz
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Kein Strafprozess nach Loveparade-Unglück: Pressekonferenz in Duisburg

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Foto: dpa, skm htf

Am 24. Juli jährt sich die Loveparade-Katastrophe, bei der 21 Menschen getötet und mehr als 600 verletzt wurden, zum sechsten Mal. Nun bestätigte das Duisburger Landgericht, dass es nicht zu einem Strafprozess kommen wird. Laut einer Mitteilung des Landesgerichtes wurde der Beschluss bereits am vergangenen Donnerstag gefasst.

"Die eingehende Prüfung der Anklagevorwürfe und der hierzu vorgelegten Beweismittel durch die 5. Große Strafkammer des Landgerichts Duisburg hat ergeben, dass kein hinreichender Tatverdacht besteht", begründet das Gericht die Ablehung des Strafprozesses seitens des Gerichtes begründet. "Die Vorwürfe der Anklage können mit den vorgelegten Beweismitteln nicht bewiesen werden", heißt es weiter.

Loveparade in Duisburg: Fünf Jahre nach der Katastrophe
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Loveparade in Duisburg: Fünf Jahre nach der Katastrophe

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Foto: dpa, rwe fg kno

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat sich bereits zu der Entscheidung des Gerichtes geäußert. "Das Thema Loveparade hat für mich eine besondere Bedeutung. Als Ministerpräsidentin achte ich die Unabhängigkeit der Justiz, aber als Mensch Hannelore Kraft, fällt es mir außerordentlich schwer, diesen Beschluss zu begreifen", sagt sie. Die Angehörigen, die viel Leid erlebt hätten, hätten darauf gesetzt, dass alles Lückenlos aufgeklärt wird. "Das scheint nun in weite Ferne zu rücken."

Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD) zeigte in seinem Kommentar Verständnis für das Unverständnis der Angehörigen. "Ich bin kein Jurist und kann deswegen keine fachliche Einschätzung abgeben. Ich bin sicher, dass sich in den kommenden Tagen viele finden werden, die die Einschätzung des Gerichts fundiert bewerten können", sagte Link. Und weiter: "Aber ich bin ein Mensch. Ein Mensch, der Familie hat. Eine Frau, Freunde, Menschen, die ich liebe. Und als solcher leide ich heute mit den Angehörigen. Wer seinen Sohn, seine Tochter, seine Liebsten verloren hat, der fragt nicht nach Verfahrensfehlern. Der darf Unverständnis äußern, dass es ein halbes Jahrzehnt braucht, um diese Katastrophe aufzuarbeiten, ohne dass am Ende jemand strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden konnte. Der heutige Tag ist für viele eine weitere Enttäuschung."

 Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD) zeigte bei seinem Statement Mitgefühl mit den Angehörigen der Opfer.

Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD) zeigte bei seinem Statement Mitgefühl mit den Angehörigen der Opfer.

Foto: Christoph Reichwein

Der Opferanwalt Julius Reiter empfindet die Entscheidung des Landgerichtes als einen "Skandal". "Es ist eine Bankrotterklärung der Justiz, dass nach mehr als fünfeinhalb Jahren Ermittlungstätigkeit die Anklage nicht zugelassen und das Hauptverfahren nicht eröffnet wird", sagte Reiter unserer Redaktion. Die Loveparade-Katastrophe sei kein Unfall gewesen und auch keien Aneinanderreihung unglücklicher Umstände. "Es war eine organisierte Verantwortungslosigkeit der Verantwortlichen", sagte Reiter. Laut dem Anwalt haben die Opfer den Eindruck gewonnen, dass eine Aufarbeitung gar nicht gewollt sei. "Wir prüfen jetzt die Rechtsmittel gegen die Nichtzulassung der Anklage", sagte Reiter.

Der Vorsitzende der Betroffeneninitiative "Lopa 2010", Jörn Teich, ist nach Bekanntwerden der Ablehnung des Strafprozesses mit Herzrhythmusstörungen ins Krankenhaus eingeliefert worden. "Wie kann nach all den Jahren ein solches Unglück nicht gesühnt werden, obwohl es die am besten dokumentierte Katastrophe der Nachkriegsgeschichte ist", sagte Teich unserer Redaktion. Es handele sich dabei um ein "fatales Urteil". Damit gehe das Vertrauen in den Rechtsstaat, in die Polizei und in die Politik verloren. Teich forderte, dass sich der Bundesjustizminister einschalten soll. Viele Angehörige blieben nun auf den Anwaltskosten von bis zu 20.000 Euro sitzen.

Das wesentliche Beweismittel, auf dass sich die Anklage stützte, war ein Gutachten des Panikforschers Keith Still gewesen. Dieses Gutachten sei nach Auffassung der Kammer jedoch nicht verwertbar gewesen, weil es an gravierenden inhaltlichen und methodischen Mängeln leide, teilte das Gericht mit.

"Dass die Richter nun so entschieden haben, ist für die Angehörigen der Opfer nur schwer nachvollziehbar. Zumal offensichtlich bereits im Vorfeld der Veranstaltung zahlreiche Fehler begangen wurden, die es gilt aufzuarbeiten und für die es eindeutige Verantwortliche gibt", sagte der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, unserer Redaktion. Der Landesvorsitzende Erich Rettinghaus stellte sich hinter die Polizei. "Die Kollegen haben im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles getan, um Menschenleben zu retten", sagt er.

Staatsanwaltschaft kann sofortige Beschwerde einlegen

Das Gericht erließ einen sogenannten Nichteröffnungsbeschluss. Gegen ihn können die Staatsanwaltschaft Duisburg und Nebenkläger beim Oberlandesgericht Düsseldorf eine sogenannte sofortige Beschwerde einlegen. Wird diese abgelehnt, gibt es kein weiteres Rechtsmittel.

Schon vor zwei Jahren hatte die Staatsanwaltschaft Anklage gegen mehrere Beschuldigte erhoben. Seitdem wurde geprüft, ob es ein Verfahren geben würde.

(skr)
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