Duisburg Getreidespeicher und Wirtschaftspanik

Duisburg · Prof. Dr. Ute Schneider (Universität Duisburg-Essen) referierte im Landesarchiv NRW über "Rheinschifffahrt und Getreidehandel im 19. Jahrhundert". Sie hatte bei der Recherche viele spannende Forschungslücken entdeckt.

 Der RWSG-Speicher im Innenhafen war der Vorläufer des Landesarchivs. Die Geschichte der Speichergebäude geht zurück bis in die Antike.

Der RWSG-Speicher im Innenhafen war der Vorläufer des Landesarchivs. Die Geschichte der Speichergebäude geht zurück bis in die Antike.

Foto: Andreas Probst

Duisburg löste im 19. Jahrhundert Mannheim als Zetrum des globalen Getreidehandels ab. Das Landesarchiv NRW am Innenhafen ist in einen ehemaligen Getreidespeicher hineingebaut. Gute Ausgangspunkte für den jüngsten Vortrag dort: Prof. Dr. Ute Schneider (Universität Duisburg-Essen) referierte über "Rheinschifffahrt und Getreidehandel im 19. Jahrhundert".

In der frühen Neuzeit deckten die europäischen Städte ihren Bedarf an Getreide und Gemüse noch aus dem Umland. Mit der Industrialisierung wuchsen ihre Einwohnerzahlen derartig, dass die Versorgung von außerhalb gesichert werden musste. Im 19. Jahrhundert kam das Getreide aus den damaligen deutschen Ostgebieten, außerdem aus Russland, Amerika und Argentinien. In Deutschland wird traditionell im Norden mehr Roggen verarbeitet, im Süden mehr Weizen - am Umschlagplatz Duisburg überwog knapp der Roggen. Der Transport per Schiff ist günstiger als per Bahn, wenn auch mit Risiken verbunden: Flüsse können trockenfallen - der Rhein zuletzt 2011 - , Hochwasser führen oder zufrieren. Um 1900 wurde heftig diskutiert, ob ein Land sich selbst mit Getreide versorgen können sollte, denn eine Hungerkrise - man nannte das damals "Wirtschaftspanik" - konnte zu gesellschaftlichen Umwälzungen führen, zum Beispiel als Ursache der Französischen Revolution. Tatsächlich gab es dann am Ende sowohl des Ersten als auch des Zweiten Weltkriegs in ganz Europa entsprechende Engpässe, denn der Getreidehandel war zum Erliegen gekommen.

Getreidespeicher gab es schon in der Antike. In Preußen führte König Friedrich II. sie im 18. Jahrhundert systematisch zur Versorgung der Bevölkerung ein, ab dem Jahr 1800 gab es sie dann im großen Stil, zum Beispiel in Berlin.

Der ehemalige Getreidespeicher, in dem sich jetzt das Landesarchiv NRW befindet, orientierte sich architektonisch noch in den 1930er Jahren an dieser Tradition, wenn auch mehr in die Höhe als wie üblich in die Breite. Die Sozial- und Wirtschaftshistorikerin war bei der Recherche zu ihrem Vortrag auf viele spannende Forschungslücken gestoßen.

Jetzt stellt sie Fragen wie die folgenden: "Welche Entwicklungen führen dazu, dass Getreidespeicher außer Dienst gestellt werden? Gab es das früher schon, und was geschah dann mit den Gebäuden, bevor daraus wie heute Archive, Bürohäuser und Hotels wurden?"

In Duisburg ist kein einziger Getreidespeicher mehr in Betrieb. Aber nicht weit von hier, in Neuss, steht einer der "Bundesgetreidespeicher". Für Notfälle ist Getreide ohne großen Aufwand zu lagern, muss nur alle zehn Jahre erneuert werden. Zuletzt genutzt wurde dieser staatliche Vorrat im Zusammenhang mit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl.

(hod)
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