Duisburg Gorki-Stück als moralisches Familiendrama

Duisburg · Eine starke, unerbittliche Frau steht im Zentrum des Dramas "Wassa Schelesnowa" von Maxim Gorki. Die Titelfigur, ihr Name bedeutet "die Eiserne", ist Chefin eines Familienunternehmens, Mutter und Großmutter. Ihren unfähigen Mann, der als Kinderschänder angeklagt ist, drängt sie zum Selbstmord. Bruder und Töchter nimmt sie nicht ernst, der Sohn liegt im Sterben, die anderen Kinder sind tot. Einzige Hoffnung ist der Enkel Kolja: Er soll die Reederei einst erben.

Doch seine Mutter Rachel, Wassas schöne und kluge Schwiegertochter, hat andere Pläne. Als gesuchte Revolutionärin reist sie inkognito ein, um den kleinen Sohn aus den Fängen der Familie zu retten und ins sichere Ausland zu bringen. Es kommt zur Konfrontation zwischen den beiden Frauen. Gleich stark, vertreten sie gegenteilige Positionen: Wassa die des Unternehmens und Rachel die des radikalen Umsturzes.

Dieses politische Familiendrama von 1935 kann heutzutage nur überzeugend gespielt werden, wenn klar wird, dass der Abgesang aufs Zarenreich auch die Fragen unserer Zeit verhandelt: Opfern wir der Logik des Kapitals alle menschlichen Werte oder stoppen wir die erbarmungslose Ausbeutung aller Ressourcen und suchen nach Alternativen?

Denn ähnlich wie die heutigen Protestbewegungen bietet Gorki eine treffende Analyse, ohne schon Lösungen zu kennen. Das ist dem Schauspielhaus Bochum vorzüglich gelungen, wie jetzt das Gastspiel im Duisburger Theater zeigte. Jan Neumann hat das punktgenau inszeniert, nur manchmal etwas überdreht. Herrlich etwa, wenn das RAF-Weib Rachel (Bettina Engelhardt) ein Occupy-Zelt auspackt oder später mit nackten Femen-Brüsten Gorkis Revolutions-Ode deklamiert.

Aus Bochum kommen immer erstklassige Schauspieler, auch wenn die Hauptdarstellerin Katharina Linder an diesem Abend ständig über den Text stolperte. Alle machen aber noch aus der kleinsten Rolle eine schrille Charakterstudie. Erwähnt werden muss Daniel Stock als Wassas Sekretärin, die in dieser Inszenierung am Ende mit einer mörderischen Palastrevolte die Macht übernimmt - ein gefährlich schleimiges, undurchsichtiges Wesen.

(hod)
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