Duisburg Grandioses Lehrstück über Humanität

Duisburg · Das autobiografische Stück "Ich werde nicht hassen", das jetzt in der Säule aufgeführt wurde, war ein großes Theatererlebnis. Schauspieler Mohammad-Ali Behboudi trug den Abend alleine. Er wurde am Schluss gefeiert.

Jeder Mensch guten Willens, also ein ganz normaler, wird Krieg, Hass, Ungerechtigkeit, Behördenwillkür, Rassismus und Unterdrückung ablehnen. Dennoch ist es nicht selbstverständlich, dass man einen Theaterabend besucht, bei dem es um genau diese Themen geht. Vor allem scheut man sich, der "ermüdeten Wahrheit" von der Widersinnigkeit der Gewaltspirale ins Gesicht zu sehen. Deshalb war es wohl notwendig, dass Martina Linn-Naumann, die Leiterin des Kleinkunsttheaters "Die Säule", vorab die Werbetrommel für das Theaterstück "Ich werde nicht hassen" von Izzeldin Abuelaish gerührt hat. Das autobiografische Stück erwies sich als großes Theatererlebnis; der Darsteller Mohammad-Ali Behboudi packte von der ersten Sekunde an in der zweimal restlos ausverkauften Säule das Publikum, das sich am Schluss mit langanhaltenden Ovationen bedankte.

Das Stück beruht auf Fakten: Im Jahr 2009 verlor der Arzt Izzeldin Abuelaish beim Beschuss seines Hauses in Gaza drei seiner Töchter und eine Nichte. Traurige Berühmtheit erlangte Izzeldin Abuelaish, als er als Zeuge im israelischen Fernsehen die Bombardierung seines Hauses vor laufenden Kameras ansehen musste. Doch anstatt in Wut und Hass zu verfallen, ging er als Arzt nach Toronto, gründete eine Friedensstiftung und schrieb das Buch "Ich werde nicht hassen".

Auf Grundlage dieses Buches haben Silvia Armbruster und Ernst Konarek eine Monologfassung für die Bühne erstellt.

Die Deutschlandpremiere von "Ich werde nicht hassen" fand in Stuttgart statt. Auch dort schon mit Mohammad-Ali Behboudi auf der Bühne. Nach und nach sprach sich herum, dass "Ich werde nicht hassen" nicht nur ein gut gemeintes, sondern auch ein gutes, ja herausragend gutes Stück ist. Martina Linn-Naumann wurde darauf aufmerksam, sah eine Aufführung und sorgte für die beiden Gastspiele in der Säule.

Mohammad-Ali Behboudi, der aus dem Iran stammt, aber schon seit 32 Jahren in Deutschland lebt und in der Branche recht bekannt ist (er spielte bei sieben Tatorten mit), sorgt durch sein ungemein authentisch wirkendes Spiel für ein Wechselspiel der Gefühle beim Publikum.

Das geht freudig mit, wenn der Schauspieler in der Rolle des später renommierten Mediziners von seiner Kindheit, den schönen Momenten und den kleinen Missgeschicken, erzählt; wenn er tanzend an Feste erinnert, an seine Liebe zu der Frau, mit der er im Laufe der Jahre eine große Familie gründet, und an Begegnungen mit Menschen, die sich nicht durch den Dauerkonflikt zwischen Israelis und Palästinensern in ihrer humanitären Einstellung beirren lassen.

Diesen schönen Momenten, die man, auch dank des vorzüglichen Spiels von Mohammad-Ali Behboudi, als Zuschauer uneingeschränkt genießt, stehen jene Schicksalsschläge entgegen, die von der Politik verursacht werden. Wer "Ich werde nicht hassen" gesehen hat, wird die Gefühlslage der Palästinenser besser verstehen.

Die Schikanen, Erniedrigungen, die Willkür von Grenzposten und die kriegerischen Gewaltexzesse, unter denen auch Kinder und diejenigen zu leiden haben, die Versöhnung wollen, hat der palästinensische Arzt Izzeldin Abuelaish ja wirklich erlebt. Dass er trotzdem zum Schluss kommt "Ich werde nicht hassen", zeigt eine menschliche Größe, vor der sich alle Welt verneigen sollte.

"Wir müssen reden", sind die letzten Worte im Stück. Schauspieler Mohammad-Ali Behboudi blickt daraufhin eine Minute lang schweigend ins Publikum, bevor das Licht erlischt.

(pk)
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