Rp-Serie Duisburger Geschichte Und Geschichten "Groet untucht" oder jeckes Narrenfangen

Duisburg · Glauben und Aberglauben prägten die Duisburger Fastnacht bis vor rund 500 Jahren. Die Reformation machte dem "wilden Treiben" ein Ende.

Rp-Serie Duisburger Geschichte Und Geschichten: "Groet untucht" oder jeckes Narrenfangen
Foto: Probst Andreas

Vor gut 500 Jahren gab es in Duisburg ein vielfältiges Fastnachtsbrauchtum. Glauben und Aberglauben, aber auch neckische Pfänderspiele und derbe Späße prägten die alte Duisburger Fastnacht. Wein und Bier sorgten für ausgelassene Fröhlichkeit. Als Spielverderber erwies sich die Obrigkeit. Als die Reformation Duisburg erreichte, wurde alles versucht, um die alten Bräuche zu verbieten oder zumindest einzuschränken. Über Ursprünge der Fastnacht streiten die Experten nach wie vor. Vermutlich haben Fastnachtsbräuche heidnisch geprägte Wurzeln. Der Kampf zwischen Frühling und Winter könnte in der Vertreibung von Winterdämonen und Kobolden ihren Ursprung haben. Im Laufe der Zeit wurden diese heidnischen Wurzeln vom Christentum verändert und umgeformt. In christlicher Zeit wandelte sich die Bedeutung der Fastnacht. Die bezeichnet ursprünglich den Vorabend zum Aschermittwoch, an dem noch ein letztes Mal gefeiert, ordentlich gegessen und getrunken werden durfte. Die folgenden 40 Tage vor dem Osterfest waren eine Phase der Kasteiung, des Verzichts und der inneren Einkehr. Die kirchlichen Fastengebote verlangten den Verzicht auf Fleisch, Eier, Milch, Käse, Butter und Schmalz, aber auch sexuelle Enthaltsamkeit. Da war die Nacht vor Beginn der Fastenzeit für einige Zeitgenossen eine letzte Gelegenheit des "Sich-Gehenlassens". Auf Kölsch heißt das heute: "Alles, wat mer kriege künne, nemme mer och met / Weil et jede Augenbleck nur einmal jitt." Alle Schichten beteiligten sich am närrischen Treiben. Bei Gesellschaften zeigten sich die Stadtväter großzügig: 160 Liter Wein durften die im Jahr 1518 steuerfrei ausschenken. Angesehene Bürger folgten der Einladung des Rates zu Festgelagen in der Fastnachtszeit, recherchierte der ehemalige Stadtarchivar von Roden. Duisburg wusste zu feiern. Aber das Fastnachtstreiben nahm dann im Laufe der Zeit offensichtlich unliebsame Formen an.

Völlerei und sexuelle Ausschweifungen ("groet untucht") waren in der Zeit vor Aschermittwoch verbreitet. Aber es gab in der Zeit des Katholizismus die Möglichkeit des Ablasses, da machte das Sündigen doch einfach mehr Spaß. Böse Zungen behaupten bis heute, dass der Karneval die katholische Mentalität widerspiegelt.

Wie dem auch sei: Mit der Einführung der Reformation in Duisburg im Jahre 1555 wurden die Sitten wieder strenger. Sitten und Gebräuche wurden nunmehr überprüft und Verbote erlassen. Ein Erlass des Duisburger Stadtrates zeigt, dass es in Duisburg viele heute unbekannte Bräuche gab. Die Verbote des calvinistischen Stadtrates benennen Vergehen wie das "penden und schatten", das "eierkeese eten", das "baden der megde" und das "dansen op den weiden".

Die niederdeutsche Sprache ist vielen Duisburgern nicht mehr geläufig. Beginnen wir mit der Erklärung zum "eierkeese eten". Die Burschen zogen mit Eierkörben und Wurstgabeln von Haus zu Haus, um Eier und Würste bei den Hühner- und Schweinehaltern einzusammeln. Anschließend ging es zum Gasthaus. Dort wurden die Gaben in Form von Wurst und "Eierkeese" verzehrt und mit reichlich Altbier heruntergespült. Die Promille zeigten die bekannte Wirkung. Dieser Brauch wird in abgeschwächter Form bis heute in Serm praktiziert. Das "baden der megde" (Baden der Mädchen) war im mittelalterlichen Duisburg verbreitet. Die Burschen fingen junge Frauen und brachten sie zum Dickelsbach oder zum Stadtgraben, um sie dort nass zu spritzen (Heute: Konfetti-Regen?) oder gar unterzutauchen. Der Brauch galt als das letzte und eindeutige Angebot an ledige Frauen, die Gunst der Stunde vor Aschermittwoch zu nutzen, weil danach sexuelle Enthaltsamkeit geboten war. Narren fangen und Pfänderspiele: Bei der Sitte des Fangens der "Kobolde" spielten die jungen Frauen eine deutlich aktivere Rolle. Mit einem Fangnetz ausgestattet gingen die Mädchen auf "Maennerjagd". Vermutlich ließen sich die Männer gern überwältigen. Das Kobold- oder Narrenfangen entwickelte sich in Duisburg zum "penden und schatten" ("Pfänden und "Schätzen"). Die Mädchen gingen auf Beutejagd und entführten Mützen und Kleidungsstücken der Männer. Die von den jungen Frauen erbeuteten Sachen waren Pfänder, die eingelöst werden mussten. Der Bursche musste sich den Forderungen der Räuberin seiner erbeuteten Mütze oder anderer Kleidungsstücke gefügig zeigen. Der spielerische Geschlechterkampf lieferte vermutlich durchaus lustvolle Elemente. Die "Religionswächter" der Reformation zeigten dafür wenig Verständnis. Jeder Verstoß gegen das Duisburger Verbot kostete drei Goldgulden; das entsprach dem Lohn eines Tagelöhners. Bei diesen drastischen Strafen wundert es nicht, dass die alten Fastnachtsbräuche in Vergessenheit gerieten. Aber gewisse Ähnlichkeiten zum heutigen Karneval sind doch unverkennbar - oder ?

(RP)
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