Interview zur Loveparade "Große lässt man laufen, die Kleinen hängt man"

Duisburg · Herr Reiter, Sie vertreten mit Ihrem Kanzleikollegen Gerhart Baum, dem früheren Bundesinnenminister, mehr als 100 Opfer des Love-Parade-Unglücks. Wie bewerten Sie die nun anstehende Anklageerhebung?

Interview zur Loveparade: "Große lässt man laufen, die Kleinen hängt man"
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Herr Reiter, Sie vertreten mit Ihrem Kanzleikollegen Gerhart Baum, dem früheren Bundesinnenminister, mehr als 100 Opfer des Love-Parade-Unglücks. Wie bewerten Sie die nun anstehende Anklageerhebung?

Reiter Es ist eine Erleichterung für die Opfer und Hinterbliebenen, dass die Hängepartie nun endlich beendet wird. Nun erwarten wir, dass das Hauptverfahren zügig eröffnet wird. Wenn es dagegen stimmt, dass die Verhandlung erst nächstes Jahr startet, wäre ich schon entsetzt.

Kranzniederlegung an Gedenkstätte
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Wie sehen Sie, dass wohl kein Mitarbeiter der Polizei angeklagt wird und auch nicht Rainer Schaller, der Inhaber des Love-Parade-Veranstalters?

Reiter Die Anklage erinnert mich an den Spruch: Die Großen lässt man laufen, die Kleinen hängt man. Herr Schaller hat einen extremen Sparkurs bei der Vorbereitung der Love-Parade erzwungen — das hat möglicherweise zu einem Teil der Probleme geführt. Auch die Rolle der Polizei ist aus unserer Sicht nicht unbefleckt. So lässt sich fragen, ob nicht ein zweiter Ausgang neben dem Ein- und Ausgang für die VIPs hätte eingeplant werden müssen. Auch als die Veranstaltung im Verlauf des Tages immer chaotischer wurde, hätte die Polizei möglicherweise das weitere Heranströmen von Menschen stoppen müssen.

Auch Duisburgs Ordnungsdezernent Wolfgang Rabe kommt wohl glimpflich davon.

Reiter Die Stadt hat die Augen verschlossen und eine nicht genehmigungsfähige Veranstaltung erlaubt. Von Rabe sollen angeblich auch viele Mails nicht mehr auffindbar sein. Das hinterlässt ein ungutes Gefühl. Umso interessanter, dass Herr Rabe noch immer im Amt ist.

Was bedeutet das Verfahren?

Reiter Wir werden das Verfahren als Nebenklägervertreter genau verfolgen. Aber wir müssen vor Illlusionen warnen: Beim Strafrecht werden nur einzelne Personen zur Rechenschaft gezogen. Das Versagen von Organisationen wie der Polizei lässt sich da nur schwer aufklären. Eigentlich bräuchten wir zusätzlich einen unabhängigen Untersuchungsbericht, der die Verantwortlichkeiten von Veranstalter, Stadt und Polizei klärt.

REINHARD KOWALEWSKY FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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