Duisburg Harry Rowohlts große Menschenliebe

Duisburg · Fast vier Stunden dauerte der treffend als "Lesung und Naturereignis" angekündigte Auftritt von Harry Rowohlt im ganz gefüllten "Grammatikoff". Es gab Kolumnen, Übersetzungen, Exkurse, Anekdoten, Witze und Anmerkungen ohne Ende.

 Die größte Stärke von Harry Rowohlt sind seine Übersetzungen. Aber auch der Besuch seiner Lesungen wie jetzt in Duisburg lohnen sich.

Die größte Stärke von Harry Rowohlt sind seine Übersetzungen. Aber auch der Besuch seiner Lesungen wie jetzt in Duisburg lohnen sich.

Foto: Archiv

Harry Rowohlt unterscheidet sich wohltuend von den zahlreichen Zynikern, die inzwischen die Kabarett- und vor allem Comedy-Bühnen beherrschen. Er ist nicht "nur" witzig und satirisch, sondern auch umfassend gebildet und nachdenklich. Die große Menschenliebe des bekennenden Agnostikers, Hamburgers, St. Pauli-Fans und Kettenrauchers kennt eigentlich nur vier Feindbilder: superfromme Christen ("wir, die agnostische Mehrheit"), Bremer ("Bonsai-Hanseaten"), den HSV ("Tennisverein mit angeschlossener Fußballabteilung") und Nichtraucher ("früher musste man auf einer Fête die Netten und die Klugen stundenlang suchen – jetzt muss man dafür einfach nach draußen gehen").

Die größte Stärke von Harry Rowohlt dürfte in seinen inzwischen über 150 Übersetzungen liegen. Vor allem wenn es um wunderbar abstruse englischsprachige Kinderbücher geht wie die herrlichen "Mr Gum"-Bände von Andy Stanton, in denen zum Beispiel viele Seiten lang nichts steht als "in diesem Buch folgen jetzt nur noch leere Seiten, keine geheime Bonusgeschichte, hau ab", dann schließlich doch eine geheime Bonusgeschichte. Harry Rowohlt: "Manchmal fragt mich Eltern-Gesindel: ,Für welches Alter ist denn das Buch?' Ich antworte dann: ,Wenn das Kind doof ist, wird es auch mit 65 Jahren noch nichts davon kapieren.'"

Und natürlich beeindruckt seine außergewöhnliche Fähigkeit, Sprachen, Dialekte und Tonfälle wiederzugeben. So sei der Name der Stadt Düren "immer mit einem Fragezeichen am Ende" auszusprechen, Dortmund dagegen "ohne T, aber mit einem irritierten Blick in die Runde, als sei man gerade erst aus dem Ei geschlüpft". Herrlich auch die fordernde Verachtung, mit der Günter Grass laut Harry Rowohlt "die SPD" sagt.

Noch einen gefällig? "Die irische Definition von ,betrunken' lautet: wenn man nicht mehr ohne fremde Hilfe liegen kann."

(hod)
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