Duisburg "Hautnah" packend inszeniert

Duisburg · Der Schauspiel-Jugendclub feierte im Foyer 3 des Stadttheaters Premiere mit einem Stück von Patrick Marber. Gegen das Werk gibt es Einwände; die Regie und die jungen Schauspieler konnten indes überzeugen.

Das klassische Welttheater mit seinen durchaus auch "unordentlichen" Gefühlen, die sich nun mal zwischen Menschenkindern ereignen, sind gute Kost für darstellerische Leistungen junger Schauspieler, blendend geführt durch ein vorzüglich arbeitendes Regieteam um den Regisseur Michael Steindl. Bühne, Licht und Regie taten ihr bestes, um "Theater" ins Foyer 3 des Stadttheaters zu bringen. Und dies war sicherlich schwierig bei solch magerer Zutat vom Stückeschreiber Patrick Marber, dessen "Hautnah" (in der Übersetzung von Helmar Harald Fischer) vom Schauspiel-Jugendclub "Spieltrieb" auf die Bühne gebracht wurde.

Viele emotionale Farben

Durchgefallene Eindimensionalität, trotzdem packend und gar nicht langweilig inszeniert; erstes Bravo! Zweites Bravo: Die "Damen", beep! Hanna Kertesz als Alice und Jenny Lauch als Anna spielten großartig, fielen aber auf Grund ihrer nur mäßigen Sprechtechnik etwas ab. Bühnensprache hin oder her. Große, unordentliche Gefühle ließen sich trotzdem durch die beiden begabten jungen Frauen vermitteln. Etwas anders die beiden (drittes Bravo!) schauspielerisch begabten sexbesetzten "Lover-Lover": Lover Dan wurde brillant, ausdrucksstark, mit authentischer Sprache von Stefan Kolkenbrock angefüllt, und der Cybersex-Akademiker Haut(nah)-Arzt Larry, opulent mit vielen emotionalen Farben, absolut erschütternd und ergreifend dargestellt von Behzad Sharifi.

Waren das noch Zeiten, als solcherlei Liebespaare liebesverwirrt, weil "lunatic", durch den Athener Wald streiften und in buntgescheckter poetischer Sprache Bilder im Kopf des Publikums zu unendlicher erotischer Fantasie verführen konnten. Chaucer in den Canterbury Tales und schließlich Shakespeare mit seinem unerreichten Sommernachtstraum brauchten noch einen Oberon oder einen Puck und ein feines "Liebejedenkräutchen".

Das Kraut an diesem Abend war Tabak, der anarchistisch das Rauchverbot im Theater aushebelte. Ein vollkommen deplatziertes, weil zu umgehendes, Requisit.

Man trifft sich bei Patrick Marber nicht im Wald, sondern vor einem Aquarium und plappert "exakt gebaute, sprachlich witzige und Obszönitäten nicht scheuende Einblicke in die psychischen Mechanismen desillusionierter Einzelgänger" (Programmheftchen), wie zum Beispiel: "Ich beep dich von hinten, du beep; beep, beep, beep und ich beep dich mehr als du mich beepst!" Keine Frage, große dramatische Ausdruckkraft, aber auch schleichender Verfall dank mittlerweile globalisierter babelscher Gefühlsverwirrungen, die schon lange vor nichts mehr halt machen.

Die virtuellen Fische blieben stumm; wirklich? Hier wurde unsere Sprache mit der zügigen Pointe und dem kleinen Glück des Zeitgeistjargons kaputtgedroschen. Sinnlosigkeit von ungelenken Wiederholungen und sinnentleerten "Sprach-Styles". Dieser Falle entgingen und entgehen unumstößlich Shakespeare und Consorten.

Technisches K.O. für Marber /Fischer nach 120 Minuten. Viel Applaus, zum Glück hautnah!

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort