Duisburg Haydn und Brahms beleuchtet

Duisburg · Im elften Philharmonischen Konzert im Theater am Marientor (TaM) sang der Philharmonische Chor Duisburg die "Alt-Rhapsodie" und das "Schicksalslied" von Johannes Brahms.

 Applaus vom Maestro: Die kurzfristig eingesprungene Solistin Gerhild Romberger sang subtil, kompakt und berückend.

Applaus vom Maestro: Die kurzfristig eingesprungene Solistin Gerhild Romberger sang subtil, kompakt und berückend.

Foto: Sabine Smolnik

Im 19. Jahrhundert war der 1809 gestorbene Joseph Haydn fast vergessen. In einer bezeichnenden Kritik schrieb Robert Schumann 1841: "Er ist wie ein gewohnter Hausfreund, der immer gern und achtungsvoll empfangen wird: Tieferes Interesse aber hat er für die Jetztzeit nicht mehr." Nur Johannes Brahms, übrigens Schumanns größter Bewunderer, wusste damals sehr gut, wie einfallsreich, und zwar vordergründig heiter, aber dahinter tiefgründig Haydns Musik sein kann.

Jetzt beleuchtete das elfte Philharmonische Konzert im Theater am Marientor (TaM) das Verhältnis von Haydn und Brahms. Zunächst gab es jene besonders raffinierte Sinfonie Nr. 104 D-Dur, mit der Haydn 1795 sein sinfonisches Schaffen abschloss, ja krönte. Im Kopfsatz schien Generalmusikdirektor (GMD) Giordano Bellincampi Haydn noch in die Nähe von Brahms rücken zu wollen, mit eher weichen Konturen und gemäßigten Akzenten.

Doch spätestens im spritzigen Finale, das auf einem slowakischen Volkslied basiert, hatten die Duisburger Philharmoniker den passenden Biss. Wieder einmal profitierte die Musik davon, dass der GMD ohne Taktstock dirigiert und die Klänge dadurch geradezu greifbar zu werden scheinen.

Dann kam schon die Pause, denn hernach war auf der Bühne auch der Philharmonische Chor Duisburg, und es folgten zwei der bedeutendsten Chorwerke von Brahms. Die Rhapsodie für eine Altstimme, Männerchor und Orchester op. 53 (1869) behandelt nach Goethes "Harzreise im Winter", die seelische Heilung desjenigen, "der sich Menschenhass aus der Fülle der Liebe trank", inspiriert durch Brahms' eigene unglückliche Liebe zu der Schumann-Tochter Julie. Das "Schicksalslied" op. 54 (1868-71) setzt dem vorchristlichen Fatalismus in dem Hölderlin-Text die göttliche Liebe entgegen, allerdings erst im instrumentalen Nachspiel.

Die kurzfristig eingesprungene Solistin Gerhild Romberger und der von Marcus Strümpe sorgfältig einstudierte Laienchor sangen subtil, kompakt und berückend. Hier überzeugte besonders Bellincampis überlegene Disposition von Solo, Chor und Orchester.

Logischer Schluss waren Brahms' Variationen über ein Thema von Joseph Haydn op. 56a (1873), auch wenn das bekannte Thema in dieser Form wahrscheinlich nicht von Haydn ist, ursprünglich ein niederösterreichisches Wallfahrtslied. Das letzte Variationenwerk und erste große Orchesterwerk des Meisters verfehlte auch im Theater am Marientor seine Wirkungs nicht. Die Philharmoniker ließen die dezent effektvolle Instrumentation unaufdringlich leuchten. Das bestätigte glänzend Bellincampis Ansicht, jedes Sinfonieorchester müsse in jeder Saison einen Brahms-Abend geben.

(hod)
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