Serie Berufe Bei Der Stadtverwaltung Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt

Duisburg · Kerstin Heymann ist Standesbeamtin und vorrangig zuständig für das Standesamt Hamborn. Ihr Aufgabenspektrum ist weit größer, als lediglich glückliche Paare in den Stand der Ehe zu führen.

Serie Berufe Bei Der Stadtverwaltung: Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt
Foto: Arnulf Stoffel

Überall an der Wand verteilt hängen Postkarten mit lustigen Sprüchen und farbenfrohen Motiven, der Schreibtisch ist bedeckt mit Akten, Urkunden und Infobroschüren. Auf dem Tisch, der für Besucher gedacht ist, liegen ebenfalls Broschüren. "Heiraten in Duisburg", steht darauf geschrieben. Ein Benjamin Blümchen-Buch zur Beschäftigung der kleinen Gäste liegt auf dem Tisch, ebenso wie ein Tischkalender, dessen aktueller Monat der Spruch "Das letzte Ziel der Menschen ist die Glückseligkeit" ziert. Genauso bunt wie Kerstin Heymanns Büro ist auch ihr Job. Die 46-Jährige ist Standesbeamtin und vorrangig zuständig für das Standesamt Hamborn.

Doch wer glaubt, Heymanns Alltag würde ausschließlich daraus bestehen, Menschen in den Bund der Ehe zu führen, der täuscht sich gewaltig. "Alle denken, Standesbeamter ist ein super Job, weil man jeden Tag um 12 Uhr Feierabend machen kann. Aber ich stehe nicht nur da und halte schöne Reden", sagt die quirlige Blonde. Die Eheschließungen seien das Highlight, aber zu ihrem Beruf gehöre weit mehr. Kaum eine Arbeit vereine Freud' und Leid so sehr, wie der des Standesbeamten. Denn neben den Eheschließungen, bei denen auch schon mal seitens der Standesbeamtin Tränen der Rührung fließen, gehört auch das Ausstellen von Sterbeurkunden zum Joballtag. "Ich hatte einmal ein junges Paar hier, das gleichzeitig die Geburts- und die Sterbeurkunde brauchte. Ihr Baby war kurz nach der Geburt gestorben. Das war schrecklich traurig." Aber auch die Eheschließungen seien nicht immer Anlass zur Freude. Heymann: "Eine meiner ersten Eheschließungen war eine Zwangshochzeit. Ein 18-jähriges Mädchen und ein 55 Jahre alter Mann. Das Mädchen hat bittere Tränen vergossen während der Trauung." Bei dieser Trauung habe Heymann das Standardprogramm abgespult. Das sei sonst anders, vor allem, wenn sie merke, dass da zwei Menschen wirklich verliebt seien und sich wahnsinnig auf diesen Tag freuen. "Bei manchen springt einfach der Funke über, da notiere ich mir dann heimlich ein paar Sachen, die sie so bei der Anmeldung erzählen und baue das dann mit in die Trauung ein", erzählt sie.

Seit sechs Jahren macht Heymann diesen Job nun. Ein klassischer Ausbildungsberuf ist es nicht. "Ich habe eine Verwaltungsausbildung gemacht. Zwölf Jahre habe ich das Vorzimmer des ehemaligen Baudezernenten gemanagt. Als er ging, und im Standesamt eine Stelle frei wurde, habe ich mich einfach beworben." Danach stand drei Monate "Gesetze lernen" auf der Tagesordnung. "Trockene Kost", sagt Heymann. Aber notwendig, vor allem, weil sie es oft auch mit ausländischem Recht zu tun hat. So vielfältig die Nationalitäten Duisburgs Bewohner sind, sind auch die Menschen, die heiraten wollen. Das notwendige Wissen hat Heymann während eines Seminars vermittelt bekommen, danach war sie bereit für den Job.

Im Standesamt sind die Aufgaben normalerweise unterteilt. Angefangen habe Heymann im Sterbefallbereich. Mittlerweile liegt ihre Hauptaufgabe bei Eheschließungen und allem, was dazu gehört: von der Anmeldung bis zur Weitervermittlung der neuen Daten an andere Behörden. Spaß mache das nicht immer. "Seit einem Jahr ist es hardcore", sagt die 46-Jährige. Egal, ob eine Vaterschaft anerkannt oder eine Ehe geschlossen werden soll, die Antragsteller müssen die richtigen Papiere mitbringen. Die würden aber gerade bei Flüchtlingen oder Migranten häufig fehlen. Verständnis hätten die Antragssteller selten. "Es ging sogar schon mal so weit, dass ich bedroht wurde und mir der Außendienst zur Hilfe kommen musste, weil mich zwei Männer in die Ecke gedrängt haben. Sie haben sich dann mit den Worten ,Wenn du Feierabend hast, hol ich mir dich' verabschiedet. Da bekommt man es schon mit der Angst zu tun."

Zu den wahrlich unterhaltsamen Momenten gehört die Beurkundung von Namen. "Da sind Sachen bei, das ist unfassbar. Immer wieder gibt es Fälle, wo wir sagen, ihr könnt euer Kind gern so nennen, aber nicht mit uns." Ein Beispiel für ein besonders gelungener Namenswunsch sei "Jutschin", was so viel heißen sollte wie Eugene. Auch wollten Eltern ihre Kinder Selavi (C'est la vie aus dem Französischen) nennen. Wenn das Wohl des Kindes gefährdet ist, lehnen Heymann und die Kollegen ab, was ebenfalls nicht auf viel Verständnis stoße. In einem Fall - die Mutter wollte ihr Kind Mongia nennen - sei es Heymann aber gelungen, die Mutter zu überzeugen, dass das Kind einen eindeutigen Spitzamen haben würde. "Man muss da sehr einfühlsam sein, denn Eltern lassen sich in ihre Namenswahl ungern reinreden und sind eher beratungsresistent", sagt die Standesbeamtin und schmunzelt.

Heymann hat viele Anekdoten zu erzählen, positive, negative, fröhliche, welche, die einem Tränen in die Augen treiben vor Lachen, oder weil sie einfach so traurig sind. Nur eins sind die Anekdoten nie: langweilig. Und genau das ist eben auch ihr Job niemals. Eine ganze Palette an Emotionen, alles wild durchgemischt. Heymann: "Ich liebe diesen Job so dermaßen, wenn man einmal beim Standesamt gearbeitet hat, geht man niemals wieder weg."

(RP)
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