Duisburg Hochheider Wagenburg muss weichen

Duisburg · Die Stadt hat den Bewohnern des Bauwagenplatzes an der Ehrenstraße - sie waren 1995 vom Innenhafen nach Hochheide gezogen - gekündigt. Es mangele an Hygiene, das Gelände sei verwahrlost, heißt es zur Begründung.

Der Bauwagenplatz neben dem Abenteuerspielplatz "Tempoli" in Hochheide muss bis zum Jahresende geräumt werden. Die Stadt Duisburg hat dem Verein "Experimentelles Wohnen", der den Platz seit 1995 betreibt, die Kündigung geschickt. Der Grund: ein Mangel an Hygiene und Verwahrlosung des Geländes. Dies "widerspricht eindeutig der einst geschlossenen Nutzungsvereinbarung", heißt es.

Die zehn Bewohner - nach eigenen Angaben Künstler, Handwerker, Auszubildende, Studenten und eine Familie - beklagen sich bitterlich. Die Stadt schicke sie "mitten im Winter in die Obdachlosigkeit". Die Kündigung nach 19 Jahren sei "ohne jede Vorwarnung oder vorherige Abmahnung durch die Stadt" erfolgt, sagt Fred Walt. Die Entscheidung sei ohne Anhörung der Betroffenen gefällt, ein alternatives Gelände sei nicht angeboten worden. "Volksvertretung und Demokratie sehen anders aus", schimpft er.

Bezirksbürgermeister Hans-Joachim Paschmann wehrt sich gegen die Vorwürfe. Bei einem Ortstermin Anfang 2013 habe man Verhältnisse vorgefunden, die so nicht zu akzeptieren seien. "Der Bauwagenplatz war total zugewachsen, und es gab keine Toilette", beschreibt er. Die Bewohner würden ihre Notdurft verrichten und dann im Boden vergraben. Mitarbeiter des benachbarten Abenteuerspielplatzes Tempoli bestätigen das. Die Geruchsbelästigung durch die vergrabenen Fäkalien sei vor allem im Sommer extrem. Zudem kümmerten sich die Bewohner schon seit geraumer Zeit nicht mehr um das äußere Erscheinungsbild des Platzes. Abfall, leere Flaschen, und auch Sondermüll wie Kühlschränke verschandelten das Areal. Auch vernachlässigten die Bewohner die Pflege der Hecken und Bäume an der Grenzbebauung, wodurch die Zäune und Tiergehege des Abenteuerspielplatzes beschädigt würden.

Die Bewohner der Wagenburg bemängeln, dass diese Beschwerden nie an sie herangetragen worden seien, man habe erst in der Kündigung davon erfahren. Dazu sagt Bezirksbürgermeister Paschmann: "Ich bin nach dem Ortstermin noch mehrere Male zum Bauwagenplatz zurückgekehrt, um mit den Bewohnern zu sprechen. Aber mir hat nie jemand die Tür aufgemacht." Auch den Kritikpunkt, die Bewohner würden "mitten im Winter in die Obdachlosigkeit" geschickt, kann Paschmann nicht nachvollziehen. Mitte Juni habe die Bezirksvertretung beschlossen, den Vertrag zu kündigen. "Die Kündigung ist kurz darauf rausgegangen, die dreimonatige Kündigungsfrist wurde also mehr als eingehalten", so Paschmann. "Ich verstehe also nicht, warum die Bewohner jetzt beklagen, dass sie mitten im Winter ausziehen müssen."

Bei den Bauwagen handelt es sich übrigens um diejenigen, die einst am Duisburger Innenhafen standen. So mancher kann sich vielleicht noch erinnern: Mitte der 1990er Jahre war der Innenhafen weit davon entfernt, für die Duisburger attraktiv zu sein. Mehr oder minder heruntergekommene Firmengebäude, Getreidespeicher und Lagerhallen in unmittelbarer Nähe zur Innenstadt waren wahrlich kein Aushängeschild für die Stadt. Dank großzügiger Hilfe des Landes eröffnete sich die einmalige Chance, ein ganzes Quartier quasi auf den Kopf zu stellen. Das Ergebnis ist unser heutiger Innenhafen.

Für die Veränderungen waren Abriss und Umbauarbeiten unumgänglich. Davon betroffen waren die Bewohner einer Bauwagensiedlung am Philosophenweg in Höhe der Küppersmühle. Die jungen Leute hatten sich dort niedergelassen, weil sie der Ansicht waren, dass es in der Stadt keinen oder viel zu wenig bezahlbaren Wohnraum gibt und sie eine andere Lebensform bevorzugten, als sie in einer normalen Drei-Zimmer-Küche-Bad-Wohnung in einem Hochhaus möglich wäre.

Daran stieß sich zunächst kaum jemand. Doch als den Bauwagenbewohnern mitgeteilt wurde, dass sie wegen des Umbaus das Innenhafen-Gelände räumen müssen, war das Geschrei groß. Schnell fanden sich Solidaritätsbekunder, um die Räumung zu verhindern. Aufgrund des öffentlichen Drucks nahm sich der damalige Dezernent Gerd Bildau, zuständig für Kultur, Schule und Jugend, des Themas an und erarbeitete eine Lösung: Er bot den Bewohnern der Bauwagensiedlung 1995 eine neue Fläche in Hochheide an, direkt neben dem Abenteuerspielplatz Tempoli.

(RP)
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