Duisburg "Ich bin hier zu Hause"

Duisburg · "Menschen mit Einwanderungsgeschichte" sprachen gestern im Sophie-Scholl-Berufskolleg über ihre Erfahrungen in Deutschland und speziell in Duisburg. Anlass war das Jubiläum "50 Jahre Anwerbeabkommen mit der Türkei".

 Auf dem Podium in der Aula der Sophie-Scholl-Kollegschule saßen gestern (v.l.): Dr. Adnan Elci, Asli Sevindim, Moderator Thorsten Schultheis, Müjgan Bayur und Ömer Pekyürek.

Auf dem Podium in der Aula der Sophie-Scholl-Kollegschule saßen gestern (v.l.): Dr. Adnan Elci, Asli Sevindim, Moderator Thorsten Schultheis, Müjgan Bayur und Ömer Pekyürek.

Foto: andreas probst

Vier "Menschen mit türkischer Zuwanderungsgeschichte", so heißt es politisch korrekt, saßen gestern auf dem Podium, um Schülern des Sophie-Scholl-Berufskollegs in Marxloh von ihren persönlichen Erfahrungen zu berichten. Der Mix sorgte für einen spannenden Nachmittag, der die Veranstaltungen zum Jubiläum "50 Jahre Anwerbeabkommen mit der Türkei" sinnvoll ergänzte. Ein Lob verdient dabei Thorsten Schultheis vom Jugendamt, der souverän moderierte.

Da berichtete die bekannte Fernsehjournalistin, Autorin ("Candlelight Döner") und Kulturhauptstadtdirektorin Asli Sevindim von ihrer Familie. Ihre Eltern, die 1971 nach Duisburg kamen, hätten tatsächlich geglaubt, dass sie nur für zwei Jahre in Deutschland bleiben. Das war genauso eine Fehleinschätzung wie die von Politikern, die in den 60er Jahren von einem "Rotationsprinzip bei Gastarbeitern" ausgingen.

Der Schriftsteller Max Frisch sagte damals: "Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Menschen!" Asli Sevindim wurde 1973 in Marxloh geboren und antwortete auf die Frage nach ihrer Heimat: "Ich bin hier zu Hause."

Das sagten auch der erfolgreiche Wirtschaftsingenieur und Unternehmensberater Dr. Adnan Elci, die Geschäftsführerin des Internationalen Jugend- und Kulturzentrums Kiebitz, Müjgan Bayur, und Ömer Pekyürek, ein junger Filmemacher aus Bruckhausen, der bis vor kurzem noch als Stahlarbeiter gearbeitet hat. Alle vier hatten höchst unterschiedliche Lebensgeschichten. Der gemeinsame Nenner war vielleicht, dass alle vier irgendwann eine Chance bekamen, die sie auch genutzt haben.

Müjgan Bayur traf beispielsweise auf einen verständnisvollen Bürokraten, der Aufenthaltsbestimmungen zu ihrem Gunsten auslegte. Und als in Marxloh eine studierte Sozialarbeiterin gesucht wurde ("Sie muss aber Türkin sein") griff Müjgan Bayur zu und leitet nun seit 18 Jahren den Kiebitz. — Dr. Adnan Elci setzte auf Zielstrebigkeit, nutzte die Bildungschancen, erlangte neben seinem Studium mit Promotion noch ein Dolmetscher-Diplom. Wissen erwerben, Wissen umsetzen und zuverlässig sein: das seien seine Erfolgsrezepte. — Ömer Pekyürek (28) hat sieben Geschwister.

Als sein Vater arbeitslos wurde, verließ er mit 17 die Schule, um zu arbeiten und seine Familie zu unterstützen. Eigentlich keine guten Startbedingungen. Aber Ömer Peyurek hat Talent als Filmemacher. Mit einem Mini-Budget realisierte er seinen 30-minütigen Film "Koma", der so gut ist, dass Ömers Traum von einem Spielfilm gewiss nicht unrealistisch ist.

Wichtig war allen, dass man vom "Etikettendenken" loskommt, immer den ganzen Menschen sieht und interkulturelle Sensibilität entwickelt. Wer mit Andersartigkeit nicht umgehen kann, komme heute in der Welt nicht mehr zurecht.

(RP)
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