Duisburg "Immer versuchen, das Richtige zu tun"

Duisburg · Der 1964 in Duisburg geborene Andreas Kollender las im Stadtfenster aus seinem jüngsten Roman "Kolbe" über Fritz Kolbe, der während des Dritten Reiches geheime Informationen an den amerikanischen Geheimdienst weitergab.

 Andreas Kollender hat sich in seinem jüngsten Roman mit der historischen Figur Fritz Kolbes beschäftigt.

Andreas Kollender hat sich in seinem jüngsten Roman mit der historischen Figur Fritz Kolbes beschäftigt.

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Fritz Kolbe (1900-1971) ist eine historische Figur. Er hat während des Dritten Reiches im Auswärtigen Amt gearbeitet und in den letzten Kriegsjahren geheime Informationen an den amerikanischen Geheimdienst weitergegeben. Er tat dies aus Überzeugung, denn er sah in Adolf Hitler einen Vaterlandsverräter. Während viele frühere NSDAP-Mitglieder nach dem Krieg ihre Karriere im diplomatischen Dienst fortsetzen konnten, blieb dieser Weg Kolbe versperrt - nun hielten manche ihn selbst für einen Vaterlandsverräter. Verraten hatte er aber nur die Nazis.

Jetzt las der 1964 in Duisburg geborene und seit langem in Hamburg lebende Andreas Kollender im Stadtfenster für die Volkshochschule und Stadtbibliothek aus seinem jüngsten Roman "Kolbe", in dem er die Fakten an einigen Stellen fiktional verändert hat. Dies sei kein historischer Roman, betonte der Autor hier, es gehe ihm in erster Linie darum, einen spannenden und emotional berührenden Roman zu schreiben: "Man kann sich nur mit einer Hauptfigur identifizieren, die auch mal nervös oder verliebt ist. Nur dafür wird große Literatur geschrieben, mein Vorbild ist William Shakespeare."

Er relativierte auch die Zuschreibungen, mit "Kolbe" habe er Fritz Kolbe "ein literarisches Denkmal gesetzt" und dies sei "gleichzeitig ein Sittengemälde der dunkelsten Epoche der deutschen Geschichte". Allerdings habe er den historischen Hintergrund genauestens recherchiert, zum Beispiel habe er sich im Archiv des Auswärtigen Amtes jene Akten angesehen, die Kolbe damals hinaus geschmuggelt hatte. Vom Berner Tourismusbüro erhielt er auf seine Anfrage postwendend einen Stadtplan von Bern aus dem Jahr 1943 mit Hinweisen, wo die besten Hotels waren und wo man damals gut essen konnte. "Wenn Sie so etwas anfragen", plauderte Kollender im Stadtfenster aus dem Nähkästchen, "gibt es zwei mögliche Reaktionen: Entweder man hält Sie für einen Spinner oder man ist sehr zuvorkommend."

Der Roman wirkt dramaturgisch äußerst gelungen, nur stilistisch etwas unentschieden. Den Schlüssel zur Interpretation liefert vielleicht ein vorangestelltes Zitat von Edward Snowden, das einen Link bildet zur Gegenwart.

Drei Sätze stünden über seinem Schreibtisch, erklärte Kollender: "Erstens das, was wir Menschen alle versuchen: Immer das Richtige tun. Zweitens kommt dann irgendwann unausweichlich die Krise mit der Frage: Was genau ist denn das Richtige? Und drittens die Erkenntnis: Wenn man das Richtige tut, muss man dies unter Umständen bitter bezahlen."

(hod)
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